Welthandel soll sozialer werden

Der US-Kongress will, dass Handelsabkommen künftig nicht mehr ausschließlich vom Prinzip des Freihandels ausgehen, sondern auch Sozialstandards berücksichtigen

BERLIN taz ■ Internationale Handelsverträge könnten bald an die Einhaltung von sozialen Mindeststandards gebunden sein. Eine entsprechende Vereinbarung hat nun die US-Regierung mit dem Kongress getroffen.

Die Abkommen sollen die Handelspartner der USA künftig verpflichten, sich an die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation zu halten: keine Zwangsarbeit, keine Kinderarbeit, keine Diskriminierung am Arbeitsplatz und das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Hinzukommen soll die Befolgung internationaler Umweltschutzabkommen. Der Abgeordnete Sander Levin sprach von einem „notwendigen Trend, mehr Menschen vom Handel profitieren zu lassen – auch die Arbeiter“.

Damit sind die Chancen deutlich größer geworden, dass die bilateralen Abkommen im Kongress durchkommen, die die USA derzeit mit Peru, Kolumbien, Panama und Südkorea verhandeln. Und nach Einschätzung einiger Abgeordneten steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass US-Präsident George Bush doch noch einmal vom Kongress die Ermächtigung erhält, die festgefahrenen Verhandlungen in der Welthandelsorganisation (WTO) weiterzuführen.

Bislang sind Handelsabkommen zwischen zwei Ländern oder innerhalb der WTO stets nur von einem einzigen Prinzip geleitet – dem Freihandel. Handelsbarrieren wie Zölle sollen möglichst weit abgebaut werden. Wie ein Land es schafft, Produkte besonders billig auf dem Weltmarkt anzubieten, ist egal, auch wenn es sich um Raubbau an der Natur oder den Menschen handelt – das gilt als völlig legitimer komparativer Vorteil.

In der WTO tauchen Sozialstandards nicht auf. Zu groß und auch nicht ganz unberechtigt ist die Angst vieler Entwicklungsländer, dass die Industrieländer die mangelnde Umsetzung von Sozialnormen als Vorwand für protektionistische Maßnahmen verwenden.

Doch Zweifel an der Legitimität von Ausbeutung kommen inzwischen nicht nur Globalisierungskritikern. Erst am vergangenen Donnerstag hat der Bundestag in einer Resolution das System der chinesischen Arbeitslager verurteilt, in denen zahlreiche Waren für den Weltmarkt von Zwangsarbeitern hergestellt werden. Die EU knüpft zudem den privilegierten Zugang, den sie Entwicklungsländern zu ihren Märkten bietet, an die Ratifizierung des Sozialpakts der Vereinten Nationen und der Kernarbeitsnormen.

Belgien hat darüber hinaus als erstes Land ein „soziales Label“ eingeführt, eine freiwillige Zertifizierung von Waren aus Entwicklungsländern, die unter Einhaltung sozialer Mindeststandards hergestellt wurden.

Die USA haben schon einmal versucht, Sozialstandards im Welthandel zu verankern: 1999 beim WTO-Ministertreffen in Seattle, das in wütenden Protesten von Globalisierungsgegnern unterging. Der damalige Präsident Bill Clinton hatte auf diese Weise versucht, sich der Unterstützung der Gewerkschaften und der eher isolationistischen Teile seiner eigenen Partei zu versichern. Er war mit dem Versuch allerdings bei den Entwicklungs- und Schwellenländern gescheitert. NICOLA LIEBERT