Widerstand gegen Postliberalisierung

30.000 Postler demonstrieren in Berlin gegen die geplante Öffnung des Briefmarktes zum Ende des Jahres. Sie haben Angst vor der Konkurrenz durch private Anbieter mit Billiglöhnen. Ein Durchnittslohn dürfe kein aufzulösender Besitzstand sein

AUS BERLIN BARBARA DRIBBUSCH

Bisher reicht das Geld, einigermaßen. 1.400 Euro netto im Monat bringt der Braunschweiger Dennis Grimm durch seinen Vollzeitjob als Postzusteller nach Hause. Elf Jahre ist er schon im Dienst der Deutschen Post AG. Bei einer privaten Briefzustellerfirma, so der 30-Jährige, „bekäme ich auf jeden Fall weniger“. Wenn man dann irgendwann mal eine Familie mit zu versorgen hätte, „würde das Geld hinten und vorne nicht passen“. Grimm war einer von tausenden Postbeschäftigten, die gestern in Berlin gegen eine Liberalisierung der Postdienste protestierten. Die nach Gewerkschaftsangaben 30.000 Demonstranten wandten sich gegen den von Deutschland geplanten vorzeitigen Fall des Briefmonopols der Post zum 1. Januar 2008.

Die Deutsche Post dürfe ihr Briefmonopol nicht zum Ende des Jahres verlieren, wenn nicht auch die anderen EU-Staaten ihre Märkte bis dahin vollständig öffneten, forderte der Ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske während der Kundgebung. Rund 32.000 Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel, warnte Andrea Kocsis vom Ver.di-Bundesvorstand.

In Deutschland soll ab Januar kommenden Jahres das Monopol der Deutschen Post AG zur Beförderung von Briefen bis 50 Gramm fallen, EU-weit sollen die Postmärkte aber erst frühestens Anfang 2009 liberalisiert werden. Schotten andere EU-Staaten wie Frankreich ihre Postmärkte länger ab, so könnte die Deutsche Post den Verlust von Marktanteilen in Deutschland nicht durch Aktivitäten im Ausland wettmachen, fürchten Sozialdemokraten. Es könne nicht sein, dass dann einige Unternehmen vom Heimatland aus in Deutschland operierten, während umgekehrt auf deren Heimatmarkt noch kein freier Wettbewerb herrsche, erklärte gestern während der Kundgebung der postpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Barthel.

Auch Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hatte vor wenigen Tagen angedeutet, dass das Auslaufen des Briefmonopols der Deutschen Post Ende 2007 innerhalb der großen Koalition noch umstritten ist. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) jedoch will an der Aufhebung zu diesem Zeitpunkt festhalten.

Neben einer zeitgleichen Öffnung der Postmärkte in den EU-Ländern forderte Ver.di-Vorstandsmitglied Kocsis gestern auch die Einhaltung von Sozialstandards bei den privaten Anbietern. Unternehmen, die Lohndumping betrieben, müsse man die Lizenz entziehen. Dabei müssten die Arbeitsbedingungen der Deutschen Post AG der Vergleichsmaßstab sein, nicht der Lohn von „Zeitarbeitern oder Beschäftigten auf den Fidschi-Inseln“. Ein Blick auf die Telekom zeige, „wohin man kommen könne“, warnte auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Barthel.

Nach einer von der Gewerkschaft Ver.di in Auftrag gegebenen Studie werden bei den privaten Anbietern im Mittel in Westdeutschland 7 Euro und in Ostdeutschland 5,90 Euro brutto die Stunde gezahlt. Noch hält die Deutsche Post AG nach eigenen Angaben auf dem Briefmarkt einen Marktanteil von 90 Prozent.

Es könne nicht sein, dass es heute schon als aufzulösender Besitzstand gelte, wenn jemand ein Durchschnittsgehalt beziehe, rief Barthel auf der Kundgebung. Man dürfe den Niedriglohnsektor nicht zum Maß aller Dinge machen. „Man will ja seinen Lebensstandard halten“, sagte gestern Postzustellerin Helga Rixrath aus Wolfsburg. Nach 14 Jahren im Beruf bringt die 43-Jährige durch ihren Vollzeitjob bei der Deutschen Post AG monatlich 1.500 Euro netto nach Hause. „Ich hoffe, dass ich auch noch in einigen Jahren da stehe, wo ich heute bin.“