Zweifel an Bahn-Plan

Fast alle Experten einig: Der Gesetzentwurf zur Privatisierung der DB kollidiert mit Grundgesetz

BERLIN taz ■ Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sitzt mit seinem Gesetzentwurf zur Privatisierung der Bahn AG (DB) fast allein da. Auch Beamte aus dem Finanzministerium melden jetzt Bedenken an. Der Vorschlag trage „nicht den Interessen des Steuerzahlers Rechnung“, zitiert das Manager Magazin ein internes Papier. Einmaligen 3 Milliarden Euro Einnahmen stünden jährliche Ausgaben des Staats von mindestens 10 Milliarden gegenüber. Zuvor hatten schon Justiz-, Wirtschafts- und Verbraucherschutzministerium Bedenken gegen die Pläne geäußert.

Auch fast alle Experten, die der Verkehrsausschuss vorgestern Abend zu einer Anhörung in den Bundestag geladen hatte, gaben dem Gesetzentwurf schlechte Noten. Im Zentrum stand der Vorschlag, der DB die Bewirtschaftung des Schienennetzes für zunächst 15 Jahre zu übertragen und nur das juristische Eigentum beim Staat zu belassen. Verfassungs- und Bilanzrechtler sollten beurteilen, ob der Bund dabei noch ausreichend Einfluss auf die Infrastruktur behalte. Artikel 87e legt fest, dass der Staat Pflege und Ausbau der Schienen zum „Wohl der Allgemeinheit“ gewährleisten muss.

Tiefensees Vorschlag sei „nicht mit der Verfassung zu vereinbaren“, urteilte Robert Uerpmann-Wittzack, Professor an der Universität Regensburg. Michael Fehling aus Hamburg hält zwar ein Treuhandmodell im Prinzip für machbar. Um grundgesetzkonform zu bleiben, müsse der Bund einen Einfluss auf dem „Niveau eines Mehrheitseigentümers“ behalten. Über den Aufsichtsrat sei das bei einer Teilprivatisierung nicht zu gewährleisten: Investoren würden Plätze für sich beanspruchen und zusammen mit den Arbeitnehmervertretern den Bund in eine Minderheitenposition bringen. Auch das Eisenbahnbundesamt könne dem Staat keine ausreichende Machtposition sichern, weil es nur sehr begrenzte Aufgaben hat. Damit hänge alles von der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung ab, mit der Tiefensee die Instandhaltung des Schienennetzes absichern will. Dabei bekomme der Staat schon heute kaum mit, wenn dort geschlampt wird – und mit wachsendem Abstand sei er noch stärker in der Gefahr, Opfer von „Schönfärberei“ zu werden, so Fehling.

Lediglich der auf Drängen der SPD eingeladene Rostocker Professor Hubertus Gersdorf lobte den Entwurf. Die DB und Tiefensee hatten zuletzt versucht, den Medien entsprechende Experten zu präsentieren. „Der verfassungsrechtliche Konflikt wird aber letztlich vom Bundesverfassungsgericht entschieden“, sagte der FDP-Abgeordnete Horst Friedrich, der die Bundestagsanhörung beantragt hatte.

ANNETTE JENSEN