US-Vorwahlkampf: Kekse für den Kandidaten

Für ein gutes Ergebnis bei der Vorwahl touren die potentiellen US-Präsidentschaftskandidaten durch Iowa. Doch wo immer sie hinfahren - die Kampagne für Umverteilung ist schon da.

Grinsen, bis die Mundwinkel schmerzen - Präsidentschaftskandidat Edwards auf Achse. Bild: dpa

IOWA taz Im beschaulichen Iowa, wo drei Millionen Menschen 31,8 Millionen Schweine züchten, geht es derzeit zu wie im Tollhaus. Kerald Yearns sagt: „Mein Telefon klingelt sich von der Wand.“ Weil der 53-jährige Verkäufer vor vier Jahren, als er von der Bush-Regierung die Nase voll hatte, als eingetragener Wähler von den Republikanern zu den Demokraten gewechselt hat, rufen derzeit alle Möchtegernpräsidenten der USA bei ihm an. „Wirklich alle“, lacht Kerald, und sein „USA-Freedom“-Shirt wackelt auf seinem Bauch, „von beiden Parteien - Hillary, Obama“, zählt er die Anrufer auf, „Guiliani, Romney, McCaine und noch ein paar weniger Namhafte.“

In den Vorwahlen in allen US-Bundesstaaten wählen die Parteien ihre PräsidentschaftskandidatIn aus. Abstimmen dürfen Parteimitglieder sowie eingetragene Wähler.

Es gibt zwei Formen: Bei den Primaries machen die Wähler ein klassisches Kreuzchen.

Bei einem Caucus werden nach einem komplizierten Schlüssel die Delegierten für die Nominierungsparteitage gewählt. Dabei diskutieren die Parteigänger einen ganzen Abend lang, verhandeln über Koalitionen und stimmen dann ab.

Der Caucus in Iowa Mitte Januar ist die traditionell erste Vorwahl, dicht gefolgt von der Primary in New Hampshire. Bei dieser Wahl fechten große Bundesstaaten dieses Privileg an, das mit sehr viel Aufmerksamkeit und Geld verbunden ist: Florida und Nevada wollen diesmal schon Ende Januar wählen, Minnesota Mitte Januar, die Republikaner in South Carolina gar Anfang des Jahres. Die "Zwerge" Iowa und New Hampshire wollen um jeden Preis die Allerersten bleiben.

Heute hat Kerald Yearns wieder eine Verabredung. An diesem Spätsommertag steht der demokratische Senator John Edwards leibhaftig vor ihm in der glühenden Sonne - nur weil Kerald im kommenden Januar in seinem Dorf stundenlang über Amerikas Politik debattieren wird, um sich schließlich auf die Seite eines Kandidaten zu stellen. Das nennt sich dann „Iowa Caucus“. Und weil diese erste Abstimmung zur Wahl der Präsidentschaftsbewerber landesweit riesige Aufmerksamkeit genießt, putzen dieser Tage und Wochen sämtliche Kandidaten in Iowa Klinken und Telefonhörer.

Aus diesem Grund ist heute auch die „Cookie-Mom“ zu Kerald gekommen. Blond ist sie, trägt Schürze und Perlenkette und heißt im wirklichen Leben Ann. Wo immer ein Kandidat auftritt, sind auch sie und die anderen von www.Caucus4Priorities.org, der Kampagne für Umverteilung. Ihr Anliegen ist es, den Anwärter auf das höchste Staatsamt vor seinen Wählerinnen und Wählern zu einer Aussage darüber zu bewegen, ob er bereit wäre, die heilige Kuh Pentagon zu schlachten.

Während Senator Edwards Keralds eine Hand schüttelt, drückt Ann ihm in die andere einen großen, runden Keks. Auf der einen Seite ist die obere Hälfte zuckergußrot. Das sind die 442 Milliarden US-Dollar im Jahr, die Hälfte des frei verfügbaren US-Staatshaushalts allein für das Verteidigungsministerium - ohne die zusätzlichen Milliarden für die Kriege in Irak und Afghanistan. In der unteren Hälfte sieht man ein bisschen Grün - 8 Prozent für die Bildung -, ein Schnittchen Gelb - 6 Prozent für das Gesundheitssystem -, ein rosa 3-Prozent-Fitzelchen für die Umwelt und noch weniger Schwarz für die Welthungerhilfe. Auf der Rückseite des Kekses liest Wähler Kerald: „Wenn Kandidaten alles Mögliche versprechen, dann frag sie: Wie wirst du das bezahlen? Und sag ihnen, sie sollen vernünftige Prioritäten setzen.“

Kerald Yearns kann Edwards das nicht mehr fragen, der ist nämlich schon weg, zum nächsten Termin. Deshalb sagt der Exsoldat zur Cookie-Mom: „Vernünftige Prioritäten sind vernünftiger als der wahnsinnige, verfassungswidrige Irakkrieg.“ Ann zaubert eine Karte aus ihrem Körbchen, und Kerald verspricht, darüber nachzudenken, bei Caucus4Priorities.org zu unterschreiben.

Ann hetzt zu ihrem Auto und düst Edwards gigantischem Wahlkampfbus hinterher. Sie wird auch bei seinem nächsten Termin dabei sein. Der Konvoi schnurrt über schnurgerade Straßen durch Maismaismaisfelder, vorbei an hübschen Holzhäusern. Eine ländliche Idylle „mit ungewöhnlich gut informierten Bewohnern“, sagt die Cookie-Mom und erklärt das Prinzip der Vorwahlen: „Bei einer normalen Primary machen die Wähler einfach ein Kreuzchen. Aber beim Caucus wird ausführlich diskutiert, bevor man sich für einen Kandidaten entscheidet.“ Und weil hier in Iowa die ersten, oft richtungweisenden Wähler leben, kann es sich kein Kandidat erlauben, nur via Fernsehwerbung zu ihnen zu sprechen. Man muss persönlich Rede und Antwort stehen. „Diese Tradition hat die Leute hier ungewöhnlich stark politisiert“, sagt Ann. Dann ist sie da.

In Jefferson, einem kleinen Ort, sitzen 150 Leute im schattigen Hof der Bücherei. Sie fragen Bewerber Edwards nach ihrer unbezahlbaren Krankenversicherung, sie klagen über das klägliche Rentensystem, und sie wollen wissen, warum die Schulen wahlweise elitär oder schlecht sind und wie die Sache im Irak bloß enden soll. Edwards hat alle Fragen zigmal gehört, seine Antworten sind die immer gleichen Floskeln. Schließlich murmelt eine Frau: „Wenn er noch einmal ‚Vielen Dank für diese sehr interessante Frage!‘ sagt, schreie ich.“ Eine andere Frau findet seine Antworten „unbefriedigend“. Was soll ihr ein Satz wie „Wir brauchen einen Präsidenten, der nicht nur in Kriegsfragen patriotisch ist!“ sagen?

Die Cookie-Mom hingegen kommt gut an. Ihre Kekse gibt es auch als Frisbee, zum Fächer umfunktioniert finden sie reißenden Absatz an diesem drückenden Sommertag. Weil später, im Januar, nur 100.000 Iowaner abstimmen werden, engagiert sich die Initiative hier so stark. „Wir haben das genau ausgerechnet“, erklärt Anns Chefin, Peggy Huppert. „Die Abstände zwischen den Kandidaten sind beim Caucus so knapp, dass schon 8.000 Stimmen wahlentscheidend sein können.“ Die Kampagne hat schon 10.000 Unterschriften gesammelt, und mit denen setzt sie jeden Kandidaten inhaltlich unter Druck: So viele Wähler werden dich wählen, wenn du unsere vernünftigen Prioritäten unterstützt, also dem US-Verteidigungsministerium 15 Prozent seines Jahresetats wegnimmst und die 60 Milliarden Dollar in Bildung, Gesundheit und Umwelt steckst.

In Iowa reicht es nicht, nur Wahlwerbespots zu senden. Hier müssen die Politiker den Wählern direkt Rede und Antwort stehen. Bild: ap

Das macht den süßen Keks zu einer giftigen Gabe von Landesverrätern, finden manche. Im „Krieg gegen den Terror“ gilt das Pentagon als heilige Kuh, die fraglos alle Wünsche erfüllt bekommt. Und Rüstungslobbyisten machen mit der kräftig geschürten Terrorangst der Menschen ein gutes Geschäft. Aus republikanischen Veranstaltungen werden die Leute von Caucus4Priorities.org rausgeekelt, in den Parteiorganen lässt man sie keine bezahlten Anzeigen schalten.

Den Skeptikern - auch unter Kandidaten der Demokraten und deren Wählern - drückt Ann eine Karte aus ihrem Körbchen in die Hand, auf der steht der Hinweis auf den „Korb-Report“. Unterzeichnet von hochrangigen Ex-Militärs, listet da Lawrence Korb, ehemals Vizechef des Pentagon unter Präsident Reagan, auf, welche überflüssigen bis schwachsinnigen Waffensysteme aus dem Kalten Krieg gestrichen werden können. Und das ohne die zusätzlichen Milliarden für die Kriege gegen den Terror anzutasten oder die Landesverteidigung in irgendeiner Form zu gefährden.

Mit diesen Argumenten grillen die Aktivisten die Präsidentschaftskandidaten auf ihrer Tour durch Iowa. Auch in Perry. Hier äußert sich Edwards zum dritten Mal an diesem Tag zum Umgang der Demokraten mit Lobbyisten: „Wenn wir wirkliche Veränderung erreichen wollen, können wir nicht mit Interessenvertretern Kompromisse eingehen. Sie haben Milliarden Dollar investiert, um sicher zu stellen, dass sich nichts verändert. Es ist entscheidend ihnen jetzt eine Botschaft zu übermitteln: Dass die Demokraten keinen Pfennig mehr nehmen von Lobbyisten.“

Beifall unter dem ausladenden Baum vor dem Rathaus. In der Fragerunde melden sich - wie immer - auch die Leute von der Kampagne. Amanda fragt nach einem Milliarden teuren Zerstörer, den die Marine bauen lässt, statt ihn preiswerter anderswo zu kaufen: „Werden Sie dieses Programm einstellen, wenn Sie Präsident sind, John?“ Der Kandidat wendet sich zum Publikum. „Wissen Sie“, sagt er, „ich kenne diese jungen Leute schon von vielen Veranstaltungen. Sie sprechen überall den aufgeblasenen Etat des Pentagon an und haben ein berechtigtes Anliegen. Sie stellen harte Fragen. Ich finde das Klasse.“ Amandas Frage beantwortet Edwards trotzdem nicht. „Ehrlich gesagt, ich muss das mit diesem speziellen Zerstörer erst prüfen. Ich weiß die Antwort jetzt nicht.“

Peggy Huppert kennt diese Methode: „Die Rüstungsfirmen, das Pentagon und Kongressabgeordnete haben ein gemeinsames Interesse, all diese Waffenprogramme weiterlaufen zu lassen. Sie sichern ja auch Jobs in den Wahlkreisen. Und jedem, der mal kritisch nachfragt, werfen sie vor: Du bist schwach im Anti-Terror-Kampf und zu weich in unserer Verteidigung. Bisher sind sie damit durchgekommen.“

Aber auch die Kampagne ist eine Interessenvertretung. Gegründet wurde sie von erfolgreichen Geschäftsleuten, unter ihnen auch der Eishersteller Ben & Jerrys, „die die Nase voll haben von Misswirtschaft und Korruption rund um das Pentagon“, sagt die Direktorin. Mittlerweile hätten schon 600.000 Amerikaner die Forderung nach vernünftigerem Haushalten unterzeichnet. „Das sind sehr viele Wähler“, sagt Peggy Huppert kampfeslustig.

So gute Publicity weckt Begehrlichkeiten. Inzwischen hat auch der republikanische Haudegen und potentielle Präsidentschaftsbewerber John McCain die Verschwendungssucht des Pentagon und die Rüstungslobbyisten gegeißelt - in allgemeiner Form tun das etliche Kandidaten. Aber die konkreten Forderungen der Kampagne zu ihrem Programm zu machen, traut sich noch kein Schwergewicht. Im Oktober soll es zum Schwur kommen: Dann legt die Kampagne allen Präsidenten in spe Fragen vor, deren Antworten sie an ihre 600.000 Unterstützer mailt. Und dann entscheiden die, wen sie im Januar wählen werden.

Am Ende dieses heißen Augusttages neigt sich die Sonne über Iowa. Der Ärger um den 400-Dollar-Haarschnitt von Kandidat Edwards hat sich offensichtlich gelohnt. Nett und adrett sieht er aus. Der Skandal um seinen „versehentlich“ aus der Wahlkampfkasse bezahlten Friseurtermin hat dem aus einfachen Verhältnissen zum Millionär aufgestiegenen Senator unangenehme Nachfragen beschert. Was ihm und anderen gezeigt haben mag, dass man nicht das eine sagen und das andere tun kann.

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