Global kassieren, lokal knausern

Bertelsmann will von Gütersloh 15 Millionen Euro Gewerbesteuern zurück – und schädigt den Ruf der Gründerfamilie. Während Reinhard Mohn und seine Frau bürgerschaftliches Engagement verfechten, stürzt der Weltkonzern die Stadt ins Haushaltsloch

von CHRISTIAN FÜLLER

Es war kein guter Tag für Liz Mohn. Die engagierte Gütersloherin hatte gerade im Parkhotel das Wohltätigkeitsfest der Deutschen Schlaganfall-Hilfe eröffnet. Da machte plötzlich eine böse Nachricht die Runde: Der Bertelsmann-Konzern werde an die Stadt keine Gewerbesteuern mehr entrichten.

Das weltweite Medienimperium, so hatte es der Finanzvorstand kurz zuvor der Presse mitgeteilt, werde 2002 und 2003 keinen Steuer-Euro mehr entrichten. Und fordert obendrein bereits gezahlte Gewerbesteuern für das Jahr 2001 zurück – 15 Millionen Euro. Für den 20-Milliarden-Euro-Konzern Peanuts, für Gütersloh eine mittlere Katastrophe. Der Kämmerer berief für kommenden Dienstag eine Krisensitzung ein. Alle Ausgaben müssten „auf den Prüfstand“.

Liz Mohn, so berichten Fest-Teilnehmer, war über den Stil der Bertelsmann-Mitteilung entsetzt und sorgt sich um ihren Ruf. Kein Wunder: Frau Mohn ist die Frau jenes Mannes, der nicht nur der Vater des Bertelsmann-Imperiums ist, sondern auch das Bild des sozialen Arbeitgebers schlechthin geprägt hat: Reinhard Mohn. Mohn gründete die „Bertelsmann-Stiftung“, die über so ziemlich jede Form von Gemeinnützigkeit nachdenkt. Mohns Stiftung gilt als Think-Tank des guten Unternehmers. Mohns Nachfolger aber zeigen die kalte Miene des Kapitalisten.

Dem Rückzahlungsbegehren des Medienriesen ist formal nichts anzuhaben. Die Buchhalter nutzen die rot-grüne Steuerreform. Trotzdem finden viele Gütersloher Bertelsmanns Nacht-und-Nebel-Aktion unanständig. „Das spricht dem gesellschaftlichen Engagement von Bertelsmann Hohn“, empört sich etwa der grüne Stadtrat Hans-Peter Rosenthal.

Tatsächlich war Bertelsmann mit 12.000 Beschäftigten bisher nicht nur größtes Unternehmen, sondern auch wichtigster sozialer und kultureller Sponsor der Stadt. Die Bertelsmann-Stiftung unterstützt ein halbes Dutzend Projekte vom Multimedia-Gymnasium bis hin zu Jugendcafés. Heute aber muss die Stadt alle Etats kappen – weil Bertelsmann rückwirkend Geld fordert.

Vorzeigestück der Stiftung in Gefahr

Womöglich erwischt es dabei sogar das Vorzeigestück der Bertelsmann-Stiftung, die Stadtbibliothek. Stiftung und Stadt hatten zusammen eine multimediale Informationsbörse gebaut. Die Modellbibliothek kostet die Stadt jährlich 1,7 Millionen Euro Betriebskosten – die jetzt gefährdet sind. Ansgar Wimmer, der Kulturdezernent der Stadt, kann nicht anders, als die von der Bertelsmann-Stiftung miterbaute Bibliothek dem Spardiktat des Bertelsmann-Konzerns zu unterwerfen. Sonst müsste er bei seinen Bereichen Jugend und Schule mehr sparen. „Wir dürfen aber die soziale Solidarität nicht sprengen“, sagt Wimmer.

Bei der Bertelsmann-Stiftung ist die Stimmung schlecht. Stiftungschef Gunter Thielen war höchst verärgert über die Aktion des Konzerns, ohne freilich öffentlich Kritik zu äußern. Dabei vertritt Thielen formell den Eigentümer des Bertelsmann-Konzerns – eine Konstruktion Mohns, die das gesellschaftspolitische Engagement der Inhaberfamilien und die Unternehmenskontinuität sichern sollte.

Der aktuelle Konzernlenker von Bertelsmann, Thomas Middelhoff, versucht alles, um die schlechten Nachrichten aus der Welt zu schaffen. Middelhoff, der üblicherweise zwischen New York und Gütersloh hin- und herjettet, nahm sich zweieinhalb Stunden für die Lokalpresse Zeit, um sich für die vorwarnungslose Steuerrückforderung zu entschuldigen. „Grauenhaft für Bertelsmanns Image“, sagte er.

Doch Middelhoffs PR-Aktion war nicht nur „engagiert, betroffen und emotional“ (Neue Westfälische), sie machte deutlich, was ihn von Gründervater Mohn unterscheidet. Middelhoff war die Diskussion um die 15 Millionen Euro „absolut unverständlich“. Schließlich habe sein Konzern gerade 600 Millionen Euro Steuern an das Land Nordrhein-Westfalen überwiesen – für den Verkauf von AOL-Europe. Dummerweise mussten die Gütersloher in diesem Moment an etwas ganz anderes denken: Die Prämie in Höhe von 20 Millionen Euro, die Middelhoff höchstpersönlich für den AOL-Deal einstrich.

Reinhard Mohns Motto lautete: „Eigentum verpflichtet“.