Eine Bank trotzt dem Zinswahn

Wer spart, will Zinsen bekommen. Am besten möglichst hohe Zinsen, denn sonst lohnt sich ja das ganze Sparen nicht. Eine kleine schwedische Bank geht da ganz andere Wege: Sie vergibt Kredite ohne Zinsaufschläge – und hat damit Erfolg

VON MATTHIAS LOHRER

Seit 1965 trotzt eine kleine schwedische Bank erfolgreich dem allgemeinen Zinswahn. Sie prosperiert sogar unverdrossen und gewinnt jährlich 1.000 neue Kunden hinzu. JAK-Medlemsbank (Mitgliedsbank) ist ihr Name. JAK steht für Jord, Arbete, Kapital, auf Deutsch: Land, Arbeit, Kapital. Wer hier sein Geld anlegt, erhält dafür keine Zinsen. Und wer hier Geld ausleiht, etwa um sein Häuschen zu bauen, der muss dafür auch (fast) keine Zinsen zahlen. Und das ist für viele Leute natürlich hochinteressant.

Im Prinzip arbeitet die JAK-Bank ähnlich wie die Bausparkassen. Die Mitglieder der Bank legen ihr Geld zusammen und verleihen es untereinander. Die Bank tritt ausdrücklich für ein nachhaltiges Wirtschaften ein und will aufklären über die negativen Folgen einer Wirtschaft, die auf Zinsen basiert. Die Zinslosigkeit für Einlagen und Kredite vermeidet die langfristige Umverteilung von unten nach oben. Die Mitglieder können ihre Spareinlagen auch gezielt gemeinnützigen Projekten zuordnen.

Jeder möchte gern einen zinslosen Kredit haben. Aber wer ist eigentlich bereit, sein Geld unverzinst zur Verfügung zu stellen, wenn er doch bei anderen Banken dafür Zinsen erhält? Auch dieses Problem löst die JAK-Bank: Angenommen, jemand möchte einen Kredit über umgerechnet 100.000 Euro erhalten. Dann könnte er diesen Betrag beispielsweise mit 100 Raten zu je 1.000 Euro tilgen. Bei der JAK-Bank zahlt er stattdessen 200 Raten zu 1.000 Euro. Damit hat er 200.000 Euro eingezahlt – und bekommt die zu viel gezahlten 100.000 Euro anschließend zurück. Damit hat er 100.000 Euro Kredit erhalten und gleichzeitig 100.000 Euro unverzinst angespart. Bereits während der Rückzahlphase steht dieses unverzinst angesparte Geld den Mitgliedern als zinsloser Kredit zur Verfügung.

Kosten entstehen

In der Praxis kann es nicht ohne Gebühren und Mitgliedsbeiträge funktionieren, denn auch die JAK-Bank muss Gehälter bezahlen und Computer betreiben. Die Kosten etwa für übliche Darlehen für private Bauinvestitionen entsprechen einem effektiven Jahreszins zwischen einem und zwei Prozent. Dieser Betrag steigt und fällt nicht, so wie die Zinssätze steigen und fallen, sondern er ist konstant, weil es tatsächlich nur die Bankmarge ist. Zinskosten im engeren Sinne fallen ja keine an.

Skepsis in Deutschland

Rainer Rudolf, Pressereferent von der Wüstenrot & Württembergische AG weiß, dass es das Modell zinsloser Darlehen in der Anfangszeit der Bausparbewegung auch in Deutschland gab, beispielsweise bei der 1925 gegründeten Deutschen Bau- und Siedlungsgemeinschaft Darmstadt (DBS). Deren Gründer, der Architekt Ludwig Heilmann, sah seinerzeit in der Zinswirtschaft die Ursache für das wirtschaftliche Elend. Das Modell zinsloser Darlehen konnte sich damals am Markt aber nicht durchsetzen. Bei Wüstenrot selbst gibt es zurzeit keine Initiativen für zinslose Kredite. Die besagte DBS wurde im Jahr 2000 von der Badenia Bausparkasse AG gekauft. Aus der Verschmelzung entstand die Deutsche Bausparkasse Badenia AG. Dort gibt es derzeit aber auch keine entsprechenden Projekte.

Bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall zeigt man sich skeptisch gegenüber einem Bauspartarif der null Prozent Guthabenzins bringt. „Das ist nur interessant für jemanden, der von Anfang an weiß, dass er wirklich bauen will“, so Pressesprecher Karl-Heinz Glandorf. Wer sich da noch nicht sicher sei, wird auf eine Guthabenverzinsung „nicht verzichten wollen“.

Das Thema „Null-Prozent-Zinsen“ wurde für den Bereich Bausparen aber vor zehn Jahren auch in Deutschland tatsächlich ernsthaft diskutiert. 1994 hatten mehrere Bausparkassen, darunter Schwäbisch Hall und die Deutsche Bank Bauspar, einen Tarif mit null Prozent Guthabenverzinsung und geringen Kreditzinsen entwickelt. Dieser Tarif richtete sich hauptsächlich an Besserverdienende. Wessen Kapitalerträge den Freibetrag überstiegen, der konnte mit diesem Modell Steuern sparen. Mit einem zinsfreien Kredit im Sinne der JAK-Bank hatte dieses Modell nichts zu tun. Auf das größte Verständnis für das Thema stößt man hingegen bei der GLS-Bank in Bochum. Seit ihrer Gründung vergibt die GLS zinslose Einlagen in erheblichen Umfang gegen Kostendeckungsumlage an gemeinnützige Kreditnehmer. Über die GLS-Bank führt schließlich eine Spur zu Falk Zientz vom Deutschen Mikrofinanz Institut. Er berichtet, dass er in Zusammenarbeit mit Oskar Kjellberg, dem Entwicklungsdirektor der JAK-Bank, ein entsprechendes Modell für Deutschland plane. Konkret sei dies aber noch nicht, allenfalls von „ersten Ansätzen“ ist die Rede. Zientz weist auf die Besonderheiten des schwedischen Modells hin: „JAK ist nicht nur ein finanzmathematisches Modell, das technisch umzusetzen ist, sondern insbesondere ein sozialer Zusammenhang.“ Die starke regionale Präsenz in Schweden sei nur durch zahlreiche ehrenamtliche Mitarbeiter möglich. „Das kann aber eine Bank nicht einfach aus dem Boden stampfen, sondern muss aus einer Bewegung wachsen.“ Außerdem weist Zientz auf die Grenzen dieses Finanzierungsmodells hin. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen hätten derzeit Probleme, Kredite zu erhalten. Das JAK-Geschäft funktioniere aber „nur in risikoarmen Bereichen, etwa bei Privatkrediten und im privaten Wohnungsbau“.

Damit scheint das erfolgreiche Modell der Schweden nun doch auch in Deutschland einen ersten Nachahmer zu finden. Es bleibt abwarten, was sich daraus entwickelt. Wenn sich selbst der Staat zinslos verschulden könnte, wäre sogar im Bundeshaushalt wieder Spielraum für sinnvolle Ausgaben.