Norwegen geht voran beim Schuldenerlass

Als erstes Land erlässt Norwegen Entwicklungsländern „illegitime Schulden“. Die waren verkappte Exportförderung

STOCKHOLM taz ■ Erstmals hat ein reiches Gläubigerland Auslandsschulden aus Entwicklungsländern als „illegitim“ anerkannt und deswegen gestrichen. Wie Norwegens Finanzministerin Kristin Halvorsen (Linkspartei) bei der Vorstellung des Staatshaushalts gestern im Parlament mitteilte, wird die rot-grüne Regierung in Oslo Ecuador, Jamaika, Peru, Sierra Leone und Ägypten insgesamt rund 80 Millionen Dollar erlassen. Birma und der Sudan könnten folgen.

Die Entstehung der fraglichen Schulden ist ein Musterbeispiel dafür, wie Kredite als Entwicklungshilfeleistungen verkauft wurden, die tatsächlich der Wirtschaft des Geberlandes dienen sollten. Ende der 70er-Jahre war die norwegische Werftindustrie in eine schwere Krise geraten. So startete Norwegen eine Schiffsexportkampagne: Regierungsabgesandte drehten insgesamt 21 Ländern der Dritten Welt über großzügige Finanzierungsangebote 156 Schiffe und Schiffsausrüstung im damaligen Wert von über einer halben Milliarde Dollar an. Viele dieser zwischen 1976 und 1981 gelieferten Schiffe erwiesen sich für die Empfängerländer als teilweise oder völlig wertlos. Als die Käufer die Kredite nicht bedienen konnten, gingen diese von der Exportkreditanstalt „Giek“ an den norwegischen Fiskus als Gläubiger über.

Bislang hatte Oslo nur im Zusammenhang mit internationalen Entschuldungsaktionen Teile dieser Kredite erlassen, wohl um keinen Präzedenzfall zum Thema „illegitimer“ Schulden zu schaffen. Dass sich das jetzt ändert, ist Verdienst von Entwicklungshilfeminister Erik Solheim (Linkspartei). Dieser sprach in einem am Donnerstag in der Osloer Zeitung Aftenposten veröffentlichten Beitrag von einem „dunklen Kapitel“ der norwegischen Entwicklungshilfegeschichte. Als Kreditgeber habe Oslo zumindest eine Mitverantwortung für die so entstandenen Schulden. Und Solheim hofft ausdrücklich, dass das norwegische Beispiel andere Kreditgeberländer veranlasst, „einen kritischen Blick auf ihre eigenen Kreditforderungen gegenüber Entwicklungsländern zu werfen“. Er habe außerdem die Weltbank aufgefordert, eine Studie zu „illegitimen Schulden“ zu erstellen.

Auf das Entwicklungshilfebudget wird der Schuldenerlass ausdrücklich nicht angerechnet. Wie Finanzministerin Halvorsen mitteilte, wird der Anteil dieser Leistungen am Bruttonationalprodukt im kommenden Jahr von 0,96 auf 0,97 Prozent steigen und damit erneut an der Weltspitze liegen. REINHARD WOLFF