Die never ending Kopftuch-Story: Kinder, Küche, Kopftuch

Gut ausgebildete Musliminnen, die Kopftuch tragen, sind bei der Jobsuche oft chancenlos. Viele Arbeitgeber haben Vorurteile, Jobcenter drohen schon mal mit Leistungskürzungen.

Erst wenn Vivienne Westwoods Plan, die Männer zu verschleiern, sich durchgesetzt hat, wird sich für die Frauen was ändern. Bild: AP

So hatte sich Layla Ahmad (Name geändert) ihren Termin beim Jobcenter Neukölln nicht vorgestellt: Als die 25-Jährige Ende Juni im Zimmer einer Beraterin ihr Anliegen vortrug, legte diese ihr nahe, sich doch mal ernsthaft um einen Job zu bemühen – und dafür das Kopftuch abzulegen. „Sie drohte mir damit, die Leistungen zu kürzen, falls ich wegen meines Kopftuchs von Arbeitgebern abgelehnt werde“, schilderte die gebürtige Deutsche mit palästinensischen Eltern der taz den Fall. Auf die Frage, in welchem Gesetz das stehe, habe die Amtsmitarbeiterin barsch geantwortet: „Das steht bestimmt im nächsten Jahr im Gesetz.“

Natürlich kam es nicht zur Geldkürzung, solch diskriminierende Äußerungen seien „schlicht nicht tolerierbar“, sagt Jobcenter-Sprecher Uwe Mählmann. Doch Ahmads Erfahrung illustriert eine traurige Tatsache: Junge, gut ausgebildete muslimische Frauen haben kaum Chancen auf dem Jobmarkt – weil sie ein Kopftuch tragen. „Muslimischen Frauen, die ein Kopftuch tragen, ist der größte Teil des Arbeitsmarktes verschlossen“, sagt Lydia Nofal. Sie ist die Geschäftsführerin des liberalen islamischen Vereins Inssan und hört solche Geschichten immer wieder. „Selbst junge Mädchen sagen ganz offen: Ich habe doch eh keine Chance.“

Zahlen zu dieser latenten Diskriminierung gibt es nicht. Die Antidiskriminierungsstelle des Landes arbeitet derzeit an einer Statistik. Deren Leiterin, Sabine Kroker-Stille, sagt: „Viele Frauen melden solche Erfahrungen gar nicht. Sie nehmen sie als gewohnt hin.“ Gerade wenn es um Jobs geht, bei denen Kontakt mit Kunden gefragt ist, hätten viele Arbeitgeber Vorurteile. Sie fürchten, das Tuch schrecke ab und lasse die Firma in schlechtem Licht erscheinen. „Das ist eine Vorwegnahme eines Effekts, der nicht belegt ist“, so Kroker-Stille. Im Gegenteil: Großkonzerne sind unter dem Schlagwort „Diversity“ längst dabei, die ethnische Vielfalt der Gesellschaft im Unternehmen zu spiegeln.

Doch der Mittelständler im Kiez und die Berliner Behörden entscheiden nach anderen Kriterien. Im Land gilt seit Anfang 2005 das Neutralitätsgesetz. Es untersagt Staatsdienern mit hoheitlichen Funktionen wie Polizisten, Richtern und Gefängniswärtern religiöse Symbole. Der Senat hatte es nach der bundesweiten heftigen Kopftuchdebatte beschlossen. „Arbeitgeber und Teile des öffentlichen Dienstes, in denen das Gesetz nicht gilt, dehnen es gerne auf ihren Bereich aus“, hat Kroker-Stille beobachtet. Im Bezirksamt Neukölln etwa sind Kopftuch tragende Praktikantinnen verboten – eine Direktive des für seine markigen Sprüche zu Multikulti bekannten SPD-Bürgermeisters.

Gerade im sozialen Bereich gibt es für junge Musliminnen kaum Nischen: Die Kirchen betreiben viele Angebote, auch staatliche Einrichtungen sind meist tabu. Dabei werde nach dem Motto argumentiert, was in Schulen verboten sei, müsse auch in Kitas verboten sein, sagt Nofal. Und die Träger der Wohlfahrtspflege, die von staatlichen Zuwendungen abhängig sind, üben sich lieber in vorauseilendem Gehorsam – und lassen Kopftuchträgerinnen außen vor.

Jobcenter-Sprecher Mählmann streitet ab, dass das Kopftuch eine Erschwernis bei der Jobsuche darstellt: „Im Allgemeinen wird der Erfolg durch ein Kopftuch nicht beeinflusst.“ Doch laut Layla Ahmad haben sich die Vermittlungsprofis von der Arbeitsagentur längst auf die Entwicklung eingestellt. „Von Freundinnen höre ich oft, dass sie vom Berater als ‚nicht vermittelbar‘ abgehakt und entsprechend behandelt werden.“

Nofal sieht Politik und Gesellschaft in der Pflicht: „Arbeit ist das wichtigste Instrument der Integration. Wenn man Frauen den Arbeitsmarkt verschließt, treibt man sie in die Abhängigkeit von den Männern und an den Herd.“ Oder sie nehmen im Kampf um den Job Demütigungen auf sich. Antidiskriminierungsfachfrau Kroker-Stille berichtet vom Fall einer jungen Muslimin, die schließlich einen Praktikumsplatz im Einzelhandel ergatterte: aber erst, nachdem sie schriftlich erklärt hatte, im Job nicht religiös zu agitieren.

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