Lokführer-Tarifstreit: Juristen kritisieren Streikverbot

Arbeitsrechtler können die Entscheidung des Gerichts nicht nachvollziehen. "Volkwirtschaftlicher Schaden" drohe nur bei Stillstand aller Transportmittel.

Bleibt doch nicht leer: Führerstand eines Triebwagens Bild: dpa

BERLIN taz Wegen möglicher volkswirtschaftlicher Schäden einen Streik verbieten? Das kann Arbeitsrechtsexperte Wolfgang Däubler von der Universität Bremen nicht nachvollziehen. Das Arbeitsgericht Nürnberg hat aber genau damit argumentiert, um die Arbeitsniederlegung der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) zu verhindern. "Eine erstaunliche Begründung ist das - und grob falsch", sagt Däubler. "Jeder Streik bringt einen volkwirtschaftlichen Schaden."

Das sieht das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ähnlich. Ökonomisch sei nicht nachvollziehbar, weshalb hier von einem "volkswirtschaftlichen Schaden" ausgegangen werde. "Bei Streiks der IG-Metall hat man das auch nicht gemacht", sagt IW-Tarifexperte Hagen Lesch. Die GDL hatte vier Stunden für ihren geplanten Streik veranschlagt. Das hätte zwar zu Verspätungen geführt und möglicherweise Unternehmen vor logistische Probleme gestellt. "Verluste wären dabei aber keine entstanden", sagt Lesch. Erst wenn Strecken länger blockiert wären, sich die Waren stapeln und die Produktion zurückgefahren werden müsste, könnte der Streik pro Tag 110 bis 120 Millionen Euro Verlust für die Wirtschaft bedeuten, hatte das IW ausgerechnet. Arbeitsrechtler Däubler: "Wenn ein Notstand ausbrechen würde, wäre die Begründung des Gerichts in Ordnung."

Hermann Reichold, Arbeitsrechtler an der Univerität Tübingen, geht davon aus, dass die Entscheidung der nächsten Instanz nicht standhalten wird. Eigentlich dürfte ein bundesweites Streikverbot nur vom Frankfurter Arbeitsgericht ausgesprochen werden - dort ist der Sitz der GDL. Die Bahn-Tochter Railion hatte beim Arbeitsgericht Nürnberg den Antrag eingebracht, denn regionale Tochtergesellschaften müssen bei den Arbeitsgerichten vor Ort klagen. Mit dem Gericht in Frankfurt hatte der Bahn-Konzern schlechte Erfahrungen gemacht. "Die Bahn sucht sich deshalb ganz bewusst Gerichte aus, bei denen sie sich gute Chancen verspricht", sagt Däubler. "Dass Nürnberg ein bundesweites Verbot ausgesprochen hat, liegt außerhalb der Kompetenz des Gerichts."

Der dennoch drohende Arbeitskampf der GDL ist aus Sicht des Mainzer Staatsrechtlers Friedhelm Hufen "rechtswidrig": Unterschiedliche Löhne und Arbeitsbedingungen seien nur für jene Bereiche einer Branche erlaubt, bei denen es besondere Anforderungen gebe. Bei der GDL hingegen seien nicht nur Lokführer organisiert, sondern auch Servicemitarbeiter. Im Gegenteil, sagt Arbeitsrechtler Däubler: "Ein eigener Tarifvertrag darf erkämpft werden, das garantiert die Verfassung."

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