Hoch gerechnet und nie gewonnen

Seit Jahrzehnten tüftelt die Industrie am Transrapid, hat es aber nicht geschafft, ihn zu verkaufen. Trotz aller Hilfe aus der Politik

BERLIN taz ■ Die geplante Trasse in München dürfte die letzte Chance für das Konsortium Siemens und ThyssenKrupp sein, den Transrapid in Deutschland zu bauen. Denn die Flughafenanbindung ist das einzige verbliebene Projekt, für das noch Geld im Bundeshaushalt reserviert ist. Sollte sie nicht realisiert werden, wäre die Transrapid-Geschichte in Deutschland nach Jahrzehnten am Ende:

1970er und 1980er Jahre

Schon vor dem Zweiten Weltkrieg hatte der deutsche Ingenieur Hermann Kemper das Patent für eine Magnetschwebebahn eingereicht. Doch erst seit 1969 arbeitet die deutsche Industrie mit Fördermitteln des Bundes an der Umsetzung. 1971 fuhren die ersten Demonstrations- und Testzüge der Firmen KraussMaffei und MBB, ein Jahr später bauten AEG, BBC und Siemens ihren ersten Prototypen. Ab 1974 entwickelte Thyssen gemeinsam mit der TU Braunschweig das bis heute genutzte Antriebssystem, das nicht in die Züge, sondern fest in den Fahrweg montiert wird. 1978 gründete die Industrie das Transrapid-Konsortium, 1980 begann der Bau der Versuchsstrecke im Emsland, die bis heute auch mit finanzieller Hilfe des Bundes betrieben wird. Sie ist neben einer Strecke in Schanghai die einzige Transrapid-Spur der Welt.

1990er-Jahre

Nach zwei Jahrzehnten im Labor sollte der Transrapid auch im regulären Personenverkahr seine Bewährungschance bekommen. 1994 beschloss die schwarz-gelbe Bundesregierung den Bau der Strecke zwischen Hamburg und Berlin. Die Strecke schien ideal, da die vorhandenen Bahngleise nach Jahrzehnten unter realsozialistischen Bedingungen zu brüchig für Schnellzüge waren. Denn der Transrapid macht in einem Land mit dichtem Bahnnetz wirtschaftlich nur dort Sinn, wo keine ICE-Züge fahren. Das Steuergeld sollte nach der Wiedervereinigung deshalb nicht in die Modernisierung der Gleise und Brücken fließen, sondern in eine 300 Kilometer lange neue Trasse.

Doch die prognostizierten Baukosten stiegen, die sechs Milliarden Mark vom Bund reichten nicht aus. Zudem scheute der neue Bahnchef Hartmut Mehdorn das Risiko als Betreiber. Und die kalkulierten Fahrgastzahlen – acht Millionen Passagiere jährlich – galten schließlich als unrealistisch.

Auch für den Transrapid in München rechnet die Bayerische Staatsregierung mit hohen Fahrgastzahlen das Projekt schön, meinen Kritiker. Und es gibt noch eine Parallele zwischen beiden Vorhaben: Das Industriekonsortium war damals wie heute nicht bereit, finanzielle Risiken zu übernehmen.

Das Aus für Berlin–Hamburg verkündete die rot-grüne Regierung Anfang 2000. Mittlerweile verbindet ein ICE Hamburg und Berlin, die Fahrt dauert eineinhalb Stunden, 30 Minuten mehr, als der Transrapid gebraucht hätte.

Seit 2000

Wohin mit den gut 3 Milliarden Euro, die der Bund für Hamburg–Berlin zurückgestellt hatte? Ein Teil floss in die ICE-Strecke zwischen Hamburg und Berlin. Um die restlichen 2,3 Milliarden Euro konkurrierten zunächst fünf Strecken, u. a. die Verbindungen Berlin–Flughafen Schönefeld und zwischen den Flughäfen Frankfurt Main und Hahn. In die engere Auswahl kamen dann aber der „Metrorapid“ im Ruhrgebiet als S-Bahn-Ersatz und die Trasse in München. 2003 kippte die rot-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen das verkehrspolitisch fragwürdige und immens teure Metrorapid-Konzept. Das Geld sollte dafür in eine Express-S-Bahn fließen.

Auch Münchens Oberbürgermeister Christian Ude will lieber einen MünchenAirportExpress (MAEX) als „intelligente“ Alternative zum Transrapid. Statt 10 Minuten mit dem Transrapid, brauchten die Passagiere mit der Express-Bahn 25 Minuten vom Hauptbahnhof zum Flughafen. Diese Lösung kostet nur einen Bruchteil des Geldes, das bestehende S-Bahn-System würde ausgebaut, und die Kosten ließen sich so im System kalkulieren. Bei der Finanzierung setzt Ude auch auf Geld vom Bund.

Doch das Geld, das in Berlin für den Münchener Transrapid beiseitegelegt wurde, lässt sich nicht einfach umwidmen, sagt Bayerns Wirtschaftsminister Erwin Huber (CSU). Und ein Blick nach NRW zeigt, dass die Alternative zum Transrapid nicht immer so schnell kommt, wie zwischen Hamburg und Berlin. Im Ruhrgebiet soll die Express-S-Bahn frühestens 2015 rollen.

STEPHAN KOSCH