Kommentar: Wer den Staat reich macht

Der Haushaltsüberschuss kam zustande, weil an allen Ecken und Enden gespart, gestrichen oder Steuern angehoben wurden. Nur Unternehmen zahlen immer weniger.

Zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung ist der deutsche Staatshaushalt ausgeglichen. In der ersten Jahreshälfte haben Bund, Länder, Gemeinden und Sozialkassen sogar einen Überschuss von 1,2 Milliarden Euro verzeichnet. Das klingt wie eine gute Sache. Denn es ist ja richtig, dass der Staat das Geld, das er sich in wirtschaftlich schlechten Zeiten leiht, in Perioden des Aufschwungs zurückzahlt. Dauerhafte Verschuldung des Staates bedeutet immer auch eine Umverteilung hin zu jenen Kapitalbesitzern, die dem Staat das Geld leihen.

Problematisch ist hingegen, wie der staatliche Überschuss zustande gekommen ist: Die Zeche haben vor allem Verbraucher, Normal- und Niedrigverdiener sowie die Bezieher von Sozialleistungen bezahlt. Bei den gestiegenen Einnahmen macht die erhöhte Mehrwertsteuer mit Abstand den größten Posten aus: Über zwölf Milliarden Euro mehr zahlten die VerbraucherInnen in der ersten Jahreshälfte.

Auch die Einkommensteuer hat mehr Einnahmen gebracht, was zum Teil an der besseren Konjunktur liegt, zum Teil aber auch an Kürzungen bei Pendlerpauschalen und Freibeträgen für Kleinsparer. Ebenfalls großen Anteil an den gefüllten Kassen haben Einsparungen bei Sozialleistungen, was auf niedrigere Leistungen für Arbeitslose und RentnerInnen zurückzuführen ist. Unternehmen tragen hingegen nur zu einem geringen Teil zu den zusätzlichen Einnahmen bei. Ihr Anteil wird im nächsten Jahr sogar weiter sinken, wenn die von Union und SPD bereits beschlossene Senkung der Unternehmensteuern greift und den Konzernen dauerhafte Milliardenentlastungen bringt.

Noch etwas trübt das positive Bild des Staatsüberschusses: die im europäischen Vergleich extrem niedrige Staatsquote, die Deutschland mittlerweile erreicht hat. Weil ein immer geringerer Anteil der Wirtschaftsleistung durch öffentliche Kassen fließt, hinkt Deutschland auch bei den Ausgaben für Bildung und Infrastruktur hinterher. Ohne die Steuersenkungen für Spitzenverdiener und Unternehmen könnte Deutschland mehr in die Zukunft investieren - bei ebenfalls ausgeglichenem Haushalt.

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Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

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