Kommentar Kombilohn: Alimente für Unternehmer

An der Realität wird die Schönheitsoperation Kombilohn nichts ändern. Er verschiebt bloß die Hartz-IV-Statistiken und sorgt vor allem für eins: Der Staat wird ausgebeutet.

Selten sind sich SPD und Union einig, aber vom Kombilohn für Geringverdiener sind beide Parteien begeistert. Es ist einfach zu verlockend, Hunderttausende von Niedriglöhnern mit ein wenig Zusatzgeld zu versorgen, damit sie endlich aus den Hartz-IV-Statistiken verschwinden. Es sieht einfach besser aus, wenn sie nicht mehr ergänzendes Arbeitslosengeld II beantragen müssen, sondern einen Zuschuss erhalten, der irgendwie anders heißt. Der Name ist noch geheim, aber "Beschäftigungspauschale" wäre doch ein nettes Wort. Klingt fast wie Pendlerpauschale.

An der Realität wird diese Schönheitsoperation nichts ändern. Staatliches Geld würde nur von einer Kasse in die andere wandern - und neu tituliert. Denn wir haben längst Kombilöhne, sie heißen nur nicht so. Da ist zum einen das ergänzende Arbeitslosengeld II, das von Unternehmen gern einkalkuliert wird, um ihren Angestellten Dumpinglöhne zu zahlen. Wenn das Gehalt nicht reicht, können sich die Beschäftigten ja an die Jobcenter wenden. Und da sind zum Zweiten die vielen Minijobs, die als Nebenbeschäftigung ausgeübt werden. Gegen eine Pauschale von 30 Prozent verzichtet der Staat auf Steuern und Sozialabgaben. Das ist ein Geschenk in Milliardenhöhe - erneut für die Unternehmer. Wenn Arbeitnehmer ihren Zusatzverdienst brutto wie netto kassieren dürfen, dann drückt das die Löhne.

Kombilöhne sind Subventionen für die Firmen, auch wenn sie in keinem Subventionsbericht der Regierung erscheinen. Noch schlimmer: Sie funktionieren völlig ungesteuert. Fast jeder Unternehmer kann profitieren, indem er Stellen splittet und Niedriglöhne zahlt. Den Schaden hat der Staat, der immer mehr Menschen alimentieren muss, obwohl sie beschäftigt sind. Gleichzeitig verdrängen die Mini- und Dumping-Jobs die sozialversicherungspflichtigen Stellen, die letztlich den gesamten Staat finanzieren. Ein Teufelskreis.

Wenn der Staat nicht weiter ausgeplündert werden soll, dann hilft nur noch der Mindestlohn. Noch sperrt sich die Union dagegen. Aber irgendwann wird sie einsehen müssen, dass sich Kombilöhne nur finanzieren lassen, wenn Dumpinglöhne ausgeschlossen sind.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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