Brunsbüttel-Abschaltung: AKW problemlos ersetzt

Die Strombörse zeigt: An Strom herrscht kein Mangel, obwohl ein Drittel der installierten AKW-Leistung abgeschaltet ist

Das AKW Brunsbüttel ist abgeschaltet. Die Stromversorgung in Deutschland bringt das nicht durcheinander. Bild: dpa

Kaum bohrt mal einer richtig nach, kommen immer neue Mängel ans Licht. Die schleswig-holsteinische Atomaufsicht hat im Atomkraftwerk Brunsbüttel Sicherheitsdefizite festgestellt, die so schwerwiegend sind, dass der Reaktor am Samstag für unbestimmte Zeit abgeschaltet werden musste.

Auslöser sind Konstruktionsfehler, die zwar schon lange vorhanden sind - doch erst durch die erhöhte Sensibilität nach dem Brand in Krümmel und den Kurzschluss in einer Schaltanlage in Brunsbüttel vom 21. Juni finden sie offenbar angemessene Beachtung. Im Sicherheitssystem des Reaktors entsprechen die Dübelplatten nicht den Erfordernissen: Bei den Platten, mit denen Rohrleitungen befestigt sind, wurden plötzlich zu große Bohrungen entdeckt, womit die Stabilität der Installation infrage steht. Da diese Verankerungen Bestandteil des Not- und Nachkühlsystems sind, sind sie sicherheitsrelevant.

Einen Monat nach den ersten Zwischenfällen sind nun beide von Vattenfall in Deutschland betriebenen AKWs vollständig abgeschaltet. Sachverständige der Atomaufsicht und der Oberen Baubehörde haben sich für diese Woche zu einem umfangreichen Prüfprogramm in Brunsbüttel angekündigt.

Sowohl Krümmel als auch Brunsbüttel sind Siedewasserreaktoren, die im Vergleich zu den zumeist jüngeren Druckwasserreaktoren als deutlich anfälliger gelten. Sechs der derzeit noch 17 laufenden Reaktoren in Deutschland sind von dieser Bauart - weshalb sich längst auch an den anderen Standorten der Siedewasserreaktoren in Deutschland zunehmend Unmut regt. Auch der Reaktor Forsmark in Schweden, der im Sommer 2006 nur knapp am GAU vorbeischlitterte, ist übrigens ein Reaktor dieses Typs. "Alles Siedewasserreaktoren - ist das Zufall?", fragt bereits Raimund Kamm vom Augsburger Anti-Atom-Forum.

"Drei der fünf Reaktoren in Bayern sind baugleich mit Krümmel", mahnte dieser Tage auch der Landesvorsitzende des Bundes Naturschutz, Hubert Weiger. Es sind die Kraftwerke Isar I in Niederbayern, und die beiden Blöcke B und C in Gundremmingen in Schwaben. Längst gibt es unterdessen sogar Hinweise, dass im Block B des RWE-Reaktors Gundremmingen wochenlang undichte Brennelemente nicht entdeckt wurden oder deren Existenz verschwiegen wurde. Kamm: "Wir fordern Aufklärung."

Da nicht nur die beiden Vattenfall-Reaktoren Krümmel und Brunsbüttel derzeit abgeschaltet sind, sondern auch die beiden Reaktorblöcke in Biblis wegen sicherheitsrelevanter Baufehler stillstehen, haben die verfügbaren AKWs in Deutschland derzeit gerade noch eine Kapazität von 13.000 Megawatt - das sind weniger als zwei Drittel der eigentlich im Land installierten Leistung.

Schon jetzt ist absehbar, dass der Anteil der Atomkraft am deutschen Strommix von zuletzt 27 Prozent (Jahresmittel 2006) in diesem Jahr auf Werte um 22 Prozent zurückgehen dürfte. Denn die absolute Stromerzeugung aus Atomkraft, die im vergangenen Jahr bei 167 Milliarden Kilowattstunden lag, dürfte durch die Zwangsabschaltungen auf rund 130 Milliarden in diesem Jahr fallen.

Der Strommarkt indes zeigt sich von den Ereignissen unberührt - von Stromverknappung in Deutschland keine Spur. Der Preis an der Leipziger Strombörse, ein unbestechlicher Indikator für die Versorgungslage, lag zuletzt sogar unterhalb der Werte des vergangenen Jahres. Es ist also genug Strom vorhanden. So erreichte der Preis am Spotmarkt in den vergangenen sieben Tagen im Mittel einen Wert von 3,5 Cent pro Kilowattstunde und lag damit deutlich unter dem durchschnittlichen Spotmarktpreis des Jahres 2006 von 5,1 Cent. Zur gleichen Jahreszeit wie jetzt, im dritten Quartal 2006, kostete Strom im Mittel sogar 5,5 Cent.

Aufgefüllt wird die Lücke der abgeschalteten Atomreaktoren zu einem guten Teil durch die erneuerbaren Energien. Im ersten Halbjahr 2007 lag die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Deutschland bei 41,6 Milliarden Kilowattstunden und damit um satte 10,6 Milliarden Kilowattstunden höher als im Vorjahreszeitraum. Vor allem die Windkraft, die Wasserkraft und die Biomasse sowie zu einem geringen Teil auch der Solarstrom haben binnen eines Jahres in einem Maße zugelegt, dass man im Gegenzug zwei große Atomkraftwerke hätte abschalten können.

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