Studiengebühren aber kaum Stipendien: Nur das Kassieren klappt

Die Länder fordern fleißig Studiengebühren, die versprochenen Stipendien für sozial Bedürftige bleiben aber aus. Die Folge ist ein Rückgang der Studentenzahlen.

In den Uni lichten sich die Reihen der Studierenden. Bild: dpa

BERLIN taz Studiengebühren ja, aber sozial verträglich - das war der Spruch der Verfassungsrichter in Karlsruhe vor drei Jahren. SPD und Grüne stellen nun fest: Viele Länder haben zwar ein Bezahlstudium eingeführt, die soziale Absicherung dabei aber vergessen. "Gebühren schrecken Abiturienten vom Studium ab", schreibt die Vorsitzende des Bundestags-Bildungsausschusses, Ulla Burchardt (SPD), in einer der taz vorliegenden Bilanz. Stipendien für sozial Schwache gebe es kaum.

In den Gebührenländern Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hessen existieren bis heute keine eigenen Förderprogramme für Studierende, die sich ein Bezahlstudium nicht leisten können, heißt es in dem Papier. Das Saarland habe "die Zahl der zu vergebenden Stipendien der schwierigen Haushaltslage des Landes angepasst".

Nur in vier Bundesländern gebe es überhaupt Studienstipendien, sagt SPD-Bildungsexpertin Burchardt. Dabei beruft sie sich auf Angaben der Kultusministerkonferenz (KMK). "Damit haben die Gebühren-Befürworter reihenweise ihre Versprechen gebrochen." Auch der hochschulpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Kai Gehring, sagt: "Von Stipendien fehlt jede Spur."

In der Konsequenz sinken die Studierendenzahlen in einigen der Gebührenländer. In Baden-Württemberg ist die Zahl der Studienanfänger 2007 an den Universitäten um 8,4 Prozent geschrumpft. Die Gesamtzahl der Studierenden ist nach Angaben des Statistischen Bundesamts in dem Bundesland um gut 2 Prozent zurückgegangen.

Zunächst mag das nicht alarmierend klingen. Es ist aber das erklärte Ziel deutscher Bildungspolitik, die im internationalen Vergleich geringe Quote der Studienanfänger von 36,6 Prozent auf 40 Prozent eines Jahrgangs zu heben. Zwar wächst in einigen Gebührenländern die Zahl der Studienanfänger, doch bleibt der Zuwachs auch dort weit hinter dem Durchschnitt aller Bundesländer zurück.

Damit sei das Modell des Bezahlstudiums gescheitert, sagt Grünen-Hochschulpolitiker Gehring. Jugendliche aus ärmeren und bildungsfernen Schichten hätten Angst davor, sich ein Studium zu leisten. "Schon heute sind Arbeiterkinder auf dem Campus Exoten", sagt Gehring, "Studiengebühren verriegeln den Hochschulzugang für Leute mit wenig Einkommen noch weiter."

Die Scheu vor der Hochschule bekommen auch Real- und Hauptschüler zu spüren. Studierunwillige Gymnasiasten schnappen ihnen nun plötzlich die Jobs weg. Wie die Bilanz der SPD zeigt, versuchen viele Abiturienten inzwischen lieber eine Lehre zu ergattern. Fingen 2004 noch etwa 77.000 Jugendliche mit Hochschulzugangsberechtigung eine Ausbildung an, waren es zwei Jahre später schon mehr als 95.000.

"Es sind genau die Folgen eingetreten, die wir befürchtet haben", sagt Regina Weber vom Studierendendachverband fzs. "Die Schlussfolgerung kann nur sein, dass Studiengebühren abgeschafft werden müssen."

Bei den Befürwortern von Studiengebühren verwahrt man sich allerdings gegen die Kritik aus Berlin. "Die Zahl der Studenten nimmt auch deshalb ab, weil das Studium durch die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge kürzer wird", sagt eine Sprecherin des Wissenschaftsministeriums in Baden-Württemberg. "Außerdem gibt es einen Anstieg von 0,2 Prozent bei den Studienanfängern." Das Ministerium rechnet zu den Erstsemestern jedoch die Einsteiger an den Berufsakademien dazu, die beim Statistischen Bundesamt in Wiesbaden nicht als Studenten gelten.

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