Lafontaine über SPD und Grüne: "Wie eine Krabbelgruppe"

Der Linkspartei-Chef wirft den beiden Parteien eine kindische Verweigerungshaltung vor und nennt Bedingungen für eine Zusammenarbeit in Hessen.

Oskar Lafontaine freut sich mit den beiden SpitzenkandidatInnen der Linkspartei in Hessn und Niedersachsen über den Einzug in die Landtage. Bild: dpa

taz: Herr Lafontaine, nach den Erfolgen in Hessen und Niedersachsen sitzen Sie künftig in drei westdeutschen Landtagen. Die Linke ist damit im Westen angekommen. Können Sie vor Kraft kaum noch laufen?

Oskar Lafontaine: Ach, das geht schon noch. Wir freuen uns über diesen großen Erfolg, er kommt nämlich in erster Linie den Rentnern, den Arbeitnehmern und all jenen zugute, die Hartz IV beziehen. Denn es wird sich fortsetzen, was wir bisher schon gesehen haben: Je stärker die Linke wird, desto eher sind die etablierten Parteien bereit, ihre Sozialpolitik zu ändern.

Das heißt aber auch, dass Ihre Partei wieder überflüssig werden könnte, wenn die SPD noch weiter nach links rückt. Glauben Sie tatsächlich, dass der Erfolg der Linken anhält?

Ja, schauen Sie doch auf die Wahlergebnisse. Die SPD hat in Hessen sehr öffentlichkeitswirksam einen Linksruck propagiert, und wir sind trotzdem im Parlament. Wir haben es geschafft, aus dem Vierparteiensystem in der Bundesrepublik ein Fünfparteiensystem zu machen, auch weil wir Wählerschichten erreichen, zu denen die SPD nicht mehr durchdringt. Das wird auf absehbare Zeit so bleiben. Nach den Erfolgen in Hessen und Niedersachsen können wir davon ausgehen, dass wir auch in Hamburg vertreten sein werden.

Die Wahl in Hessen bestätigt einmal mehr das Vorhandensein einer Mehrheit links von der Mitte. Was macht Ihre Partei jetzt politisch daraus?

Wir bieten den anderen Parteien unsere Zusammenarbeit an - aber unter bestimmten Bedingungen. Wenn in Hessen Grüne und SPD ebenfalls wollen, dass die Kinder länger gemeinsam lernen und Schule nicht mehr ausgrenzt; wenn sie für ein gebührenfreies Studium eintreten und Arbeitsplätze im öffentlich Dienst wieder sicher machen wollen; wenn es ihr Ziel ist, dass die Energieversorgung wieder rekommunalisiert wird und ohne Atomkraft funktioniert - dann sind wir zur Zusammenarbeit bereit. Leider hat die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti alle ihre Wahlversprechen schon wieder kassiert.

Inwiefern?

Frau Ypsilanti hat gesagt, dass sie in keinem Fall mit der Linken koalieren, aber mit der FDP eine Regierung bilden will. Nur leider wird mit den Liberalen nichts von dem, was im Wahlprogramm der Hessen-SPD wichtig ist, zu verwirklichen sein.

Die Chancen für eine rot-rot-grüne Koalition in Hessen stehen schlecht. Wäre die Tolerierung einer Minderheitsregierung aus SPD und Grünen für Sie denkbar?

Wenn es möglich ist, dass wir so zusammenarbeiten, dass die Ziele, die ich eben genannt habe, zu erreichen sind, dann werden wir das tun. Wir kaufen sicherlich nicht die Katze im Sack und geben irgendwem eine Blankovollmacht. In welcher Form wir beispielsweise mit der SPD kooperieren können, ist derzeit noch offen. Darüber werden auch unsere Mitglieder in Hessen abzustimmen haben, wenn es so weit ist. Ich habe grundsätzlich aber nichts gegen eine Tolerierung.

Wäre Ihre Truppe in Hessen überhaupt regierungsfähig?

Angesichts des Verhaltens der anderen Parteien halte ich eine solche Frage an uns fast schon für eine Anmaßung. Die Linke hat sich doch nach der Wahl als einzige Partei so verhalten, wie es nach den Gepflogenheiten einer Demokratie üblich ist. Wir sagen: Auf der Grundlage klarer Bedingungen sind wir zur Zusammenarbeit bereit. Die anderen Parteien dagegen führen sich auf wie die Krabbelgruppe in einem Kindergarten, wenn sie sagen: Wir wollen nicht miteinander und schon gar nicht mit der Linkspartei spielen.

Sie müssen doch aber zugeben, dass der hessische Landesverband sehr unerfahren ist. Bei der Wahl des Spitzenkandidaten gab es lange Querelen. Hätten Sie überhaupt genug geeignetes Personal für eine Regierung?

Nach dieser Definition dürfte auch die SPD nicht regierungsfähig sein. Denn Andrea Ypsilanti ist erst nach langen Diskussionen und mit knapper Mehrheit Spitzenkandidatin ihrer Partei geworden. Dass es solche Querelen bei Spitzenkandidaturen gibt, ist üblich. Und was die Personen betrifft, ich kenne das politische Personal in Deutschland sehr gut. Glauben Sie mir: Wir können da locker mithalten.

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