DIE CHANCEN EINER MÖLLEMANN-PARTEI STEHEN IN BAYERN NICHT SCHLECHT
: Sehnsucht nach der kleinen Prise Anarchie

Wenn jemand eine Stellungnahme verweigert, dann kommt das manchmal der Bestätigung eines Gerüchts gleich – und soll auch so verstanden werden. Jürgen Möllemann, noch immer ein FDP-Politiker, wollte sich gestern nicht zu einem Bericht der FAZ äußern, dem zufolge er die Gründung einer neuen Partei vorbereitet, die vielleicht schon bei den bayerischen Landtagswahlen im September antreten soll. Schweigen kann sehr beredt sein. Die Meldung stimmt also. Sie beweist, dass Möllemann immer für eine Überraschung gut ist.

Auf den ersten Blick scheint Bayern ein besonders ungeeignetes Terrain für den fulminanten Start einer neuen Partei zu sein. Kernland der CSU, in Stein gemeißelte politische Hierarchien, seit Jahrzehnten eine hoffnungslose Sisyphosaufgabe für die Opposition. Wieso sollte ein Quereinsteiger gerade dort erfolgreich sein können? Aus genau all diesen Gründen. Den Gegnern der CSU merkt man seit langem ihre eigene Resignation an. Sie sind grau geworden unter der Last der Kärrnerarbeit. Wer mit der Landesregierung unzufrieden ist, dem bieten sich wenig reizvolle Alternativen. Das könnte das Tor sein, durch das Jürgen Möllemann seine bayerischen Strohmänner marschieren lassen will. Die Voraussetzungen sind günstig. Es ist das Merkmal von Populismus, dass er gut ankommt. Ministerpräsident Edmund Stoiber hat als Kanzlerkandidat gezeigt, dass er auf diesem Klavier nicht gerade eindrucksvoll zu spielen versteht. Ganz im Gegensatz zu Möllemann.

Auf eine politische Grundrichtung will der sich nicht festlegen lassen. Ein bisschen Nationalismus und Antisemitismus bedient Wünsche der Rechten, ein bisschen Vulgärliberalismus freut manche Linke. Alles zusammengerührt mag die Sehnsucht nach einer kleinen Prise Anarchie erfüllen, die in Bayern größer ist als anderswo – vielleicht gerade deshalb, weil autoritäre Strukturen dort besonders fest gefügt erscheinen. Möllemanns Chancen sind nicht schlecht. Und wenn es nicht klappt, kann er immer noch auf bayerische Besonderheiten verweisen und es anderswo erneut probieren. Schlau. BETTINA GAUS