Prügel für den Großkotz

Italiens Ministerpräsident Berlusconi steht unter Feuer. Cohn-Bendit: Infantile Reaktion. Schröder und Fischer fordern formelle Entschuldigung. Konservative Europäische Volkspartei verteidigt Berlusconi

BERLIN/ROM dpa/afp/taz ■ Die Kritik an den Äußerungen des EU-Ratspräsidenten und italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi hält an. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) verlangte gestern eine Entschuldigung „in aller Form“ für dessen Angriff auf einen deutschen Europa-Abgeordneten. Die Äußerung Berlusconis, der EU-Parlamentarier Martin Schulz (SPD) könne die Filmrolle eines KZ-Aufsehers übernehmen, sei „in Inhalt und Form eine Entgleisung und völlig inakzeptabel“, sagte Schröder am Donnerstag zu Beginn seiner Regierungserklärung in Berlin.

Nach der heftigen Kritik hatte Berlusconi in Rom angekündigt, am frühen Donnerstagnachmittag mit Schröder telefonieren zu wollen. Das Gespräch wurde dann aber auf den Abend verschoben. Zuvor hatte Berlusconi in Rom erklärt, die linksgerichtete Opposition in Italien habe den Auftritt von Schulz „sorgfältig vorbereitet“. Nach Schröder forderte auch Außenminister Joschka Fischer Berlusconi auf, sich zu entschuldigen. Fischer meinte allerdings: „Das kann man mit einem offenen Wort geraderücken, indem man sich entschuldigt.“

Ganz anders reagierte dagegen die konservative Europäische Volkspartei (EVP). Sie verlangte gestern überraschend eine Entschuldigung des SPD-Abgeordneten Schulz bei Berlusconi. Dieser habe „mit seinen Bemerkungen den italienischen Premierminister und das italienische Volk in unannehmbarer Weise angegriffen“, erklärte der Vorsitzende der EVP, der CDU-Abgeordnete Hans-Gert Pöttering. Berlusconis Äußerungen bezeichnete er dagegen lediglich als „unangemessen“. Grüne, Liberale und Sozialdemokraten forderten dagegen weiter eine förmliche Entschuldigung.

Die Fraktionen des Europäischen Parlaments einigten sich am Nachmittag darauf, den Parlamentspräsidenten Pat Cox mit der Aufgabe zu betrauen, den Streit beizulegen. Cox solle „eine gerechte und ausgewogene Lösung“ suchen, hieß es nach einer Sitzung der Fraktionschefs.

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im EP, Daniel Cohn-Bendit, nannte Berlusconis Ausbruch im taz-Interview „eine infantile Reaktion“. „Das zeigte sich auch bei seinem späteren Entschuldigungsversuch, als er sagte, der Schulz hat doch angefangen. Wie ein Kind, das sich nach einer Schlägerei zu rechtfertigen sucht“, so Cohn-Bendit. Der Medienmogul sei noch lange kein Meister medialer Auftritte. Allerdings habe es keinen Sinn, zu sagen, „wir können uns keine Berlusconis leisten. Wir haben ihn trotzdem.“

In Italien muss sich Berlusconi nicht nur heftiger Kritik der Opposition erwehren, sondern auch mit einem verheerenden Medienecho auseinander setzen. Selbst seine beiden Koalitionspartner zeigten gestern deutliche Absetzbewegungen. GB

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