An Elfen glaubt man nicht

Bücher für Randgruppen: Zwei aktuelle Neuerscheinungen auf dem Gebiet der Forschung um Mythen, Religion und Riten der Germanen klären weiter auf

Zum neuen Oberpriester der isländischen Heiden wurde kürzlich der Filmkomponist Hilmar Örn Hilmarsson gewählt. In seiner Antrittspredigt versprach der Allsherjargode der seit 1972 vom Staat offiziell anerkannten Glaubensgemeinschaft, vermehrt die Elemente Humor und Ironie zu berücksichtigen.

Das klingt sehr gut, denn die Forschung um Mythen, Religion und Riten der Germanen ist eine teilweise bizarre, oft gnadenlos humorfreie Konstruktion. Sie gründet ihr zartes Fundament auf dürre Quellen der klassischen Antike, insbesondere auf die „Germania“, ein schmales Bändchen des Römers Tacitus, einige entzifferte Runenfunde und den isländischen mittelalterlichen Überlieferungen aus Edda und Sagas, in christlicher Zeit verfasst. Selbst der „Germane“ als Volksethnie ist die Erfindung eines Römers, nämlich Cäsars, der sie damit von den Galliern abgrenzen wollte. Im Gästebuch einer Ausstellung in Halle, die das „germanische“ Fürstengrab von Gommern/Elbe aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. präsentierte, fand ich im letzten Jahr den forschen Eintrag: „Endlich wird auch mal unser deutsches Erbe gezeigt und nicht immer nur Ausländisches!“ Tatsächlich bestanden die edlen Grabbeigaben des verstorbenen Germanen ausschließlich aus römischer Importware, wie ein mitreisender Archäologe versicherte. Um also das interessante Forschungsgebiet nicht als „national befreite Zone“ Rechtsradikalen zur Identitätskonstruktion zu überlassen, scheint die vorurteilslose Beschäftigung mit dem Stoff angeraten. Es bieten sich zwei aktuelle Neuerscheinungen an.

Einen frischen Überblick schafft Bernhard Maiers „Die Religion der Germanen“, das klar und anschaulich die Problematik der Quellen, die ideologischen Verhaftungen ihrer Benutzer und daraus entstandene Konstruktionen beschreibt. Alten Gelehrtenstreit, ob nun eddische Schwarzelfen (svartálfur) und Lichtelfen (ljósálfar) wie der Münchner Rechtshistoriker Konrad Maurer gegen 1850 meinte, zwei besondere Elfengattungen sind oder wie Jacob Grimm vermutete, eher Synonyme für Zwerge (schwarz) und Elfen (Licht), wirft Maier dabei sanft über Bord. Die Einteilung dürfte wohl eher auf die christliche Unterscheidung zwischen Engeln und Teufeln zurückgehen. Die mir oft gestellte Frage, ob die Isländer gemeinhin „an Elfen glauben“, kann der Autor hier beantworten: Sie birgt einen Widerspruch in sich, denn der Begriff des Glaubens ist ein zentral christlicher.

Es bleiben also viele Mutmaßungen und nur äußerst spärliche Gewissheiten um religiöse Mythen, wie um den aus Zwergenspeichel kreierten Gelehrten Kvasir, aus dessen Blut nach seiner Ermordung durch eine Mischung mit Honig ein hochwirksamer Dichtermet gebraut wurde. Durch den Mangel an Schriftzeugnissen hilft da schon mal ein mit Bildreliefs versehener Runenstein aus Schweden weiter. Weniger helfen dagegen die Externsteine, die in den Jahren 1934/35 im Zuge groß angelegter Ausgrabungen als „germanisches Nationalheiligtum“ eine ideologisch maßgeschneiderte Identität verpasst bekommen sollten. Die Archäologin Uta Halle zeigt in ihrer interessanten Studie anschaulich die Strukturen des Unternehmens auf. In der Zeit des Nationalsozialismus ist unter den Archäologen, so die Autorin, kaum nennenswerter Widerstand festzustellen. Das Auffinden einer kleinen Zeitungsmeldung von 1935, die kundtut, dass „Juden für die Ausgestaltung des germanischen Heiligtums doch nicht das nötige Verständnis aufbringen können“ und daher von der „Weihestätte ferngehalten werden müssen“, ist auch ein Ergebnis erhellender archäologischer Forschung. WOLFGANG MÜLLER

Bernhard Maier: „Die Religion der Germanen“. C. H. Beck, 2003, 206 Seiten, 24,90 €; Uta Halle: „Die Externsteine sind bis auf weiteres germanisch!“.Verlag für Regionalgeschichte, 2002, 608 Seiten, 100 Abb., 49 €