us-folter im irak
: Den letzten Kredit verspielt

Die Katastrophe könnte kaum größer sein. Die Fotos von den Opfern amerikanischer Folterer im Irak haben den letzten Rest an Legitimation zerstört, den die USA für ihren Krieg vielleicht noch hatten. Nach der Lüge über die Massenvernichtungswaffen offenbart sich nun die Lüge über die humanitäre Absicht, mit der US-Präsident Bush den Krieg gerechtfertigt hat. Die Befreier vom Folterregime sind selber Folterer. Genau so werden die Bilder aus dem Bagdader Gefängnis wahrgenommen, zumindest jenseits der USA und ihrer unmittelbaren Verbündeten.

KOMMENTAR VON JÜRGEN GOTTSCHLICH

Egal, was Präsident Bush jetzt in arabischen Fernsehsendern erzählt, man wird ihm nicht glauben. Schließlich hat er bisher ständig von Gut und Böse geredet, sich arrogant angemaßt, ein Land angreifen zu dürfen, um ihm angeblich Zivilisation und Demokratie zu bringen. Nicht nur daran ist er gescheitert. Die Folterbilder haben nun die Glaubwürdigkeit der USA, aber auch des Westens insgesamt zerstört.

Bushs Soldaten foltern und erniedrigen muslimische Gefangene, indem sie ihnen physische Gewalt antun und ihnen durch sexuelle Erniedrigung ihre Ehre nehmen. Bilder dieser Art verstören die Muslime und schüren neuen Hass. Die Tragweite dieser Reaktionen können Leute wie Bush, Rumsfeld und ihre Helfer offenbar gar nicht ermessen.

Ende Juni will Bush auf dem Nato-Gipfel in Istanbul eine Initiative zur Demokratisierung des Nahen Ostens verabschieden lassen. Schon bislang hat ihm im Nahen Osten kaum jemand abgenommen, dass der Krieg nicht um Öl und Unterwerfung, sondern um der Demokratie willen geführt wird. Die folternden US-Soldaten und die Tatsache, dass die politische Spitze diese Praktiken monatelang vertuscht hat, lässt nun auch die größten Optimisten in der Region an den USA verzweifeln. Jede arabische Regierung wird schon aus Selbstschutz auf größtmögliche Distanz zu den USA gehen.

Auf die eigentlich selbstverständliche Forderung des von den USA selbst ernannten irakischen Justizministers, die verdächtigen Soldaten müssten im Irak vor Gericht gestellt werden, haben die US-Amerikaner nicht einmal geantwortet. Damit entfällt die letzte moralische Legitimierung des Krieges. Was bleibt, ist die Macht, die aus den Gewehrläufen kommt. Und diese Macht wird nichts anderes produzieren als neue Gewalt: im Irak, in der Region – und bald sicher auch in anderen Gegenden der Welt.