„Wir sind populistisch“

„Die Partei“ des Magazins „Titanic“ darf zur NRW-Wahl antreten. Parteichef Martin Sonneborn über ihre Inhalte

taz: Herr Sonneborn, macht die Politik Spaß?

Martin Sonneborn: Bestimmt. Und weil die Politik immer satirischer wird, muss Titanic politischer werden. Deshalb haben wir Die Partei gegründet und treten zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen an

Hat die Politik also von der Titanic gelernt?

Ja, aber wir haben auch von der Politik gelernt, haben etwa für die kleine antisemitisch orientierte Trümmerpartei FDP Wahlkampf in der Zone gemacht. Und längst hoheitliche Aufgaben der Bundesrepublik übernommen. Als deutsche Kampfflieger schon über dem Balkan kreisten, war es die Titanic, die das Versäumnis des Bundespräsidenten nachgeholt und Jugoslawien ganz offiziell den Krieg erklärt hat.

Warum dann eine Parteigründung? Warum kämpfen Sie nicht weiterhin mit der bewährten Spaßguerilla-Taktik?

Weil wir an die Mechanismen der Demokratie glauben. Und weil laut Forsa-Umfragen 25 Prozent der Bevölkerung hinter uns stehen. Außerdem ist ja interessanter, wirkliche Verwirrung zu stiften – etwa in Dresden mit unserem Parteiprogramm, die deutsche Teilung zu rekonstruieren –, als wenn das nur an klassischen Orten der Satire passiert.

Die Partei ist also den Parteien zum Verwechseln ähnlich?

Im Grunde genommen ist es so, dass wir als einzige einen offenen Wahlkampf führen. Die Partei erklärt selbstbewusst, dass sie schmierig, opportunistisch und populistisch vorgeht.

Ist das Ganze also letztlich doch ein aufklärerisches Projekt: In der Übersteigerung dechiffriert man die Macken des Systems?

Sehen Sie, so kann man das auch betrachten. Jeder kann sich aussuchen, was Die Partei für ihn repräsentieren soll. Wir bedienen das dumpfe Ressentiment genauso wie humanistische, intellektuell abgefederte Feuilleton-Perspektiven.

In Zeiten der Nischen ist Die Partei eine Marke für alle?

Das stimmt, darum geht es ja in der Demokratie. Nicht umsonst nennen wir uns ja Die Partei. Der Begriff ist in Ost und West eine eingeführte Marke. Wir bekommen hier Anrufe von jungen Menschen, die uns erzählen, dass ihr Opa auch in der Partei war und sie deshalb mitmachen wollen.

Titanic ist ein etabliertes Magazin, Die Partei wird bei der NRW-Wahl am 22. Mai keine große Rolle spielen.

Das vorläufige Ergebnis ist irrelevant. Ich bitte Sie, das nicht so ernst zu nehmen, denn wir werden die Wahl ohnehin anfechten müssen. Nach der undemokratischen Wahlgesetzänderung wird in NRW nur mit einer Stimme gewählt. Ein klarer Nachteil für kleine Parteien, die nicht in allen Wahlkreisen präsent sind.

Also ist vor der Wahl nach der Wahl. Apropos, wo soll es mit Der Partei hingehen?

Nach Europa! Die Mauer ist eine Exportidee, wir haben Ortsvereine in Barcelona, Österreich, der Schweiz. Überall dort, wo Menschen das Bedürfnis haben, eine Mauer zu errichten. Um ihren Vorgarten, ihren Stadtteil, um sich selbst.INTERVIEW: CLEMENS NIEDENTHAL