„Eine Lizenz zur Langzeitvergiftung“

Agrarministerin Renate Künast legte dem Kabinett gestern ein Gesetz zur besseren Lebens- und Futtermittelkontrolle vor. Doch die Verbraucherorganisation Foodwatch wirft ihr Versagen vor. Denn Tierfutter bleibt Hauptgrund für Lebensmittelskandale

AUS BERLIN NICK REIMER

McDonald’s bietet dauerhaft elf Produkte zu je 1 Euro an. Das geht natürlich nur, weil die Rohstoffe dafür billig sind. „Genau das ist das Problem“, sagt Thilo Bode von der Verbraucherorganisation Foodwatch, die gestern in Berlin ihren Futtermittelreport vorstellte: „Billige Futtermittel sind eine von der Politik geduldete Lizenz zu unserer Langzeitvergiftung“, so Bode. Beispielsweise würden heute 80 Prozent der vom Menschen aufgenommenen krebserregenden Dioxine über Futtermittel in die Nahrungskette gelangen. Bode: „Prinzipiell gilt: Je billiger, umso giftiger.“

Das hängt mit den Kontrollen zusammen. 68 Millionen Tonnen Futtermittel werden jährlich in Deutschland verfüttert – was etwa 830 Tonnen je Kopf entspricht. 9 Millionen Tonnen werden davon importiert. Foodwatch hat in seiner Studie nicht nur die großen Lebensmittelskandale der vergangenen Jahre untersucht, sondern auch die Kontroll- und Überwachungspraktiken. „Die Kontrollen setzen oft an den falschen Stellen an, die Statistik wird systematisch schöngefärbt“, urteilt Matthias Wolfschmidt – einer der Autoren der Studie. Im Jahr 2003 seien von den 9 Millionen Tonnen Importfutter ganze 589 Proben dokumentiert. „Das bedeutet: Nur jede 600. Lkw-Ladung wurde überhaupt erfasst“, erklärt Wolfschmidt und fragt: „Wie kann dann McDonald’s garantieren, dass ihre Produkte sauber sind?“

Sichere Futtermittel, so Foodwatchs Rechnung, würden für den Verbraucher keine Mehrkosten bedeuten. „20 Prozent teureres Futter schlägt an der Fleischtheke im Supermarkt mit nur 2,5 Prozent Mehrpreis zu Buche“, so Wolfschmidt. Trotzdem handele Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne) nicht, sondern gebe den Interessen der Agrarlobby nach. Und so richtet sich die Hauptkritik der Verbraucherschützer auch ausdrücklich nicht gegen die Futtermittelindustrie – die naturgemäß kein Interesse an mehr Kontrolle haben könne – sondern gegen Künast.

Thilo Bode: „Sie hat zu ihrem Amtsantritt versprochen, Futtermittel sicherer zu machen, Verstöße hart zu bestrafen.“ Im Nitrofen-Skandal sei aber nicht ein einziger Verantwortlicher zur Rechenschaft gezogen worden, Futtermittel seien bis heute mitnichten sicherer. Im Gegenteil: McDonald’s erklärte Foodwatch, dass seine Fleischlieferanten explizit keinen Einfluss darauf hätten, wie ihre Tiere gefüttert werden. Schließlich: Statt schärfere Grenzwerte einzuführen, will die Europäische Union jetzt sogar eine Erhöhung der Höchstgrenzen für Dioxine in Futtermitteln umsetzen, wogegen Renate Künast sich nicht entschieden genug einsetze. Bode: „Künast hat auf der ganzen Linie versagt.“

Starker Tobak für die Ministerin, die gestern die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Durchführung des Schnellwarnsystems für Lebensmittel und Futtermittel sowie für Meldungen über Futtermittel“ (AVV SWS) ins Kabinett einbrachte, ein „weiterer wichtiger Schritt zu mehr Sicherheit bei Lebensmitteln und Futtermitteln“, so Künast. Eine Ministeriumssprecherin wies die Foodwatch-Anschuldigung als „unsachgemäß“ zurück. „Futtermittelkontrolle ist Ländersache, zu der wir nur den Rahmen vorgeben können“, so die Sprecherin. Versagen vorzuwerfen jedenfalls sei fehl am Platz.

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