Gegen den billigen polnischen Klempner

In Frankreich hat es immer wieder Linke gegeben, die Nationalisten unterstützten. Ihre Zeit scheint vorbei

PARIS taz ■ Nationalistische Versuchungen sind in der Geschichte der französischen Linken immer wieder aufgetaucht. Fremdenfeindliche und antisemitische auch: Von dem Frühsozialisten Pierre Joseph Proudhon (1809–1865) bis in die Gegenwart. Extrem waren sie in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg, als im Zuge der Zuspitzung des deutsch-französischen Konflikts der größte Teil der französischen Sozialisten auf eine bellizistische Linie ging. Während gleichzeitig der – im Juli 1914 ermordete – Sozialist Jean Jaurès gegen die Kriegskredite protestierte.

Das Szenario wiederholte sich drei Jahrzehnte später, als zahlreiche Sozialisten aus „nationalen“ Gründen Marschall Pétain die Vollmacht für eine Kollaboration mit NS-Deutschland gaben und einige in seine Regierung eintraten. Gleichzeitig hat die KPF, lange die stärkste Partei der französischen Linken, die auch einen großen Teil der jüdischen Einwanderer aus Osteuropa organisierte, in ihrer antikapitalistischen Propaganda vielfach das Stereotyp des „jüdischen Bankiers“ benutzt.

Im Nachkriegsfrankreich sind die „Souveränisten“, die gegen die Abgabe von Hoheitsrechten an supranationale Organisationen wie die EU eintreten, eine immer wiederkehrende politische Konstante. Auf der Linken war zuletzt Exinnenminister Jean-Pierre Chevènement ihr stärkster Fürsprecher. Doch seit Ende der 90er-Jahre haben diese „Linksnationalisten“ an Einfluss verloren. Erstarkt sind stattdessen – seit den Streiks im Winter 1995 – „antiliberale Kräfte“. Anders als die Souveränisten verteidigen sie nicht die Landesgrenzen, sondern die sozialen Errungenschaften Frankreichs: vom Mindestlohn über die Lebensarbeitszeit bis zum öffentlichen Dienst. In der Kampagne gegen die EU-Verfassung in diesem Frühjahr gründeten die Antiliberalen, deren Anhänger aus den Reihen sämtlicher linker Parteien und Gewerkschaften stammen, an die 1.000 Kollektive im Land. Die meisten davon nennen sich „Für ein anderes Europa“. Und viele von ihnen arbeiten gegenwärtig weiter. Ihr neues Thema ist die Entwicklung einer alternativen EU-Verfassung. Die monatelange Arbeit dieser Kollektive gab am 29. Mai den Ausschlag für das siegreiche Non.

Fremdenfeindlichkeit hat es in ihrer Kampagnen nicht gegeben. Im Gegenteil: Die linken EU-Kritiker haben sorgfältig darauf geachtet, nicht mit den Rechtsextremen verwechselt zu werden. Sie haben oft Immigranten eingeladen, sie haben bei jedem Meeting klargestellt, dass sie dieselben Sozialstandards für ganz Europa wollen – die alten und die neuen EU-Mitgliedsländer – und dass Beschäftigte in Frankreich, ganz egal, woher sie stammen, dieselben Rechte haben müssen.

Den „polnischen Klempner“, Symbol für die Öffnung des europäischen Arbeitsmarktes, haben andere in die Verfassungsdebatte geworfen. Frits Bolkestein zum Beispiel, der niederländische Politiker und Autor der vorerst auf Eis gelegten Dienstleistungsrichtlinie. Diese Richtlinie sieht vor, dass Beschäftigte nach den niedrigen Standards des Herkunftslandes des Unternehmens bezahlt werden können. Bolkestein verteidigte seine Richtlinie unter anderem mit der Behauptung, er fände keine Handwerker für sein Häuschen in Nordfrankreich. Tags drauf kappten Gewerkschafter die Leitungen seines Hauses. „Wir wollen zeigen, dass es in Frankreich Handwerker gibt“, erklärten sie, „man muss nur bereit sein, ihre tariflichen Löhne zu zahlen.“

Seit Ende Mai sprechen manche französischen Linken – wie etwa der Sozialist Jean-Luc Mélenchon von „zwei Linken“. Einer „sozialliberalen“, wozu die gegenwärtige Führung der PS gehört, und einer „antiliberalen“. Zu Letzterer gehören neben großen Teilen der PS und der Grünen, die Kommunisten und die Trotzkisten. Einer, der zwar keine Kampagne mit den „Kollektiven für ein anderes Europa“ gemacht hat, aber im Hintergrund auf das Non hingewirkt hat, ist ein ehemaliger Finanzminister. Laurent Fabius versucht nun, die Kräfte der antiliberalen Linken für den Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 2007 hinter sich zu versammeln. Sein Slogan: „Eine Arbeit, ein Wohnung, eine Ausbildung“. DOROTHEA HAHN