Rechtsextreme erteilen Musikunterricht

Ungestört startet die NPD ihre Wahlkampfaktion „Schulhof-CD“ vor einem Oberstufenzentrum im brandenburgischen Fürstenwalde. Der Schulleiter reagiert hilflos, rechtliche Möglichkeiten hat er nicht. Die Rechten haben die Grenzen ausgelotet

AUS FÜRSTENWALDE ASTRID GEISLER

So sieht also die „Wand des Widerstandes“ aus, die der NPD von der Brandenburger Landesregierung angedroht worden war: Schulleiter Joachim Schenk tritt vor die Pforte des Oberstufenzentrums Fürstenwalde, sieht sich den Spuk an und sagt erst mal nichts. Schließlich geht er auf den Mann zu, der am Rande des Parkplatzes vor Unterrichtsbeginn mit jungen Helfern CDs und Werbezettel verteilt: „Was machen Sie hier?“

„Das ist eine Wahlkampfveranstaltung für Erstwähler“, antwortet Klaus Beier, hauptberuflich Parteisprecher der NPD und örtlicher Direktkandidat. Eine saubere Untertreibung. Als Chefpropagandist der Rechtsextremisten will Beier an diesem Morgen vor einem der größten Oberstufenzentren Brandenburgs den Start der bundesweiten Wahlkampfaktion „Schulhof-CD“ zelebrieren. Der Direktor lässt ihn machen. An Laternenmasten werben schon länger NPD-Plakate für „Inländer-freundliche Politik“. Keiner hat sie beschmiert.

„Natürlich finde ich das alles nicht gut“, sagt Schenk. „Aber verhindern können wir das nicht.“ Der Parkplatz sei kein Schulgelände, die NPD eine zugelassene Partei. Die „staatlichen Stellen“ informieren, mit den Schülern „darüber sprechen“ – mehr sei leider nicht drin.

Juristisch liegt er damit richtig. 14 Titel haben die NPD-Strategen auf ihre „Schulhof-CD“ gepresst: Rechtsrockgegröle über „eiserne“ Krieger und korrupte Bürokraten, seniorenkaffeetaugliches Geschrummel über den Tod eines „Mädels“ für die schwarz-weiß-rote Fahne, das Deutschlandlied. Juristisch unangreifbar, urteilten Staatsanwälte. Nur gegen eine wüstere „Schulhof-CD“ aus der Neonazi-Szene liegt ein Beschlagnahmebeschluss der Staatsanwaltschaft vor. Doch auch der steht auf der Kippe: Das Stendaler Amtsgericht hat die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt.

Vor dem Oberstufenzentrum Fürstenwalde greifen die meisten Schüler kommentarlos zu, stopfen CD und Zettel mit ausländerfeindlichen Slogans in die Rucksäcke, gehen weiter. Wenige werfen die CD in den nächsten Mülleimer, ein paar Jungs rufen: „NPD, oh weh, oh weh!“ Eine Schülerin zertrümmert die CD, flämmt den Flyer mit dem Feuerzeug ab. „Auf keinen Fall“ werde sie für die NPD stimmen, sagt die 18-Jährige. Sie findet es „krass“, dass keiner die Aktion stoppt.

Diese Meinung teilen längst nicht alle: „Jeder darf seine Meinung verbreiten“, sagt Denise, 17, die eine Ausbildung zur Autolackiererin macht. Sie sieht keinen Grund, die NPD „schlimm“ zu finden. Einige ihrer Kumpel werden deutlicher: „Vielleicht ändert sich ja doch was mit der NPD“, sagt ein blondierter Schüler und grinst. Er wisse, was er wählen werde. Andy, 18, findet die NPD „einfach geil“. Der Malerlehrling hat gleich fünf CDs genommen – zum Verteilen im Freundeskreis. Etwas abseits steht ein verpickelter Junge, das Sweatshirt gibt ihn als Fan der Neonazi-Kameradschaft „Märkischer Heimatschutz“ zu erkennen. Was er von der Aktion hält? Er dreht sich weg: „Die Presse lügt nur.“

Als der Parkplatz sich leert, weil die Schule beginnt, gibt sich NPD-Mann Beier erstaunt: Er habe eigentlich mit Polizei gerechnet. Gegen 8.30 Uhr fahren die Möchtegernsaubermänner wieder ab. Zurück bleiben vor der Schulpforte Schnipsel und CD-Trümmer.