DIE POLITIK IST NICHT IN DER KRISE – DEN MEDIEN FEHLT SELBSTKRITIK
: Bitte, kein Alarmismus!

Ist dieses Land noch regierbar? Wird aus dem Patt eine Dauerblockade? Drohen instabile Verhältnisse, droht ein Börsencrash? Seit Sonntagabend haben mal wieder Alarmisten das Wort – im Land und in den Medien. Chaos! Krise! Verunsicherung! All diese Übel scheinen seit der Wahl über uns gekommen. Und wie bei dem Hurrikan „Katrina“ zeigen alle auf die Politik, die es versäumt, die Katastrophe schnellstmöglich in den Griff zu bekommen.

Keine Woche ist die Bundestagswahl her. Seitdem sind die Parteien aufgefordert, den Willen der Wähler konstruktiv umzusetzen, Koalitionen zu schmieden, eine Regierung zu bilden. Ohne Zweifel ein höchst komplizierter politischer Prozess. Je komplexer ein Zusammenhang, desto mehr Zeit beansprucht er. Zeit, die die Politik braucht. Zeit, die ihr die Medien nicht geben. Was wir dieser Tage erleben, ist eine mediale Öffentlichkeit, die nach schnellen Lösungen verlangt. Und eine Politik, die außerstande ist, diese zu liefern.

Das ist nicht der Untergang. Die Geschwindigkeiten von Politik und Medien sind schlicht nicht kompatibel. Die Schnelligkeit, mit der heutzutage Nachrichten umgeschlagen werden, der Druck, unter dem immer neue herangeschafft werden müssen, läuft dem Tempo politischer Arbeit zuwider. Es gibt eine Ungleichzeitigkeit von Politik und Medien. Sie liegt in der Natur der Sache.

Wer das nicht akzeptiert, wer versucht, das Tempo zu synchronisieren, erntet Fastfood-Politik. Genau die ist Rot-Grün zu Recht vorgeworfen worden. Die Regierung ließ sich derart von den Medien treiben, dass manches, was dabei herausgekommen ist, unausgegoren, schlampig, kurzlebig war.

Wenn medialer Druck von Alarmismus geleitet wird, ist das wenig Journalismus und viel Stimmungsmache. Und das hatten wir auch schon vor der Wahl: Auf Teufel komm raus versuchten Leitmedien Schwarz-Gelb als Rettung für Deutschland herbeizuschreiben. Das entsprach nicht der Stimmungslage weiter Teile der Bevölkerung. Und erst recht fehlte die professionelle Distanz. Angebracht wäre jetzt also eher, selbstkritisch innezuhalten, statt unreflektiert in derselben Attitüde fortzufahren. Die Verhältnisse sind, wie sie sind – kompliziert, nicht dramatisch. BASCHA MIKA