Die verschwiegene Erfolgsgeschichte
: KOMMENTAR VON DANIEL BAX

In Paris brennen die Vorstädte. Und die Frage drängt sich auf, warum Deutschland bislang von vergleichbaren Eruptionen der Gewalt verschont geblieben ist. Schließlich hatten die Multikulti-Debatten der vergangenen Jahre den Tenor, hierzulande sei die Integration gescheitert.

Tatsächlich ist die Lage der Migranten in Deutschland besser als ihr Ruf. Vielen ist der soziale Aufstieg gelungen, es existiert eine breite türkische Mittelschicht. Dem deutschen Sozialstaat gelingt es noch immer, die meisten Verlierer aufzufangen. Wenn man die Integration unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet, dann fällt die Bilanz ganz gut aus.

Frankreich mit seiner kolonialen Vergangenheit kann zwar auf eine viel längere Geschichte und ganz andere Dimensionen der Einwanderung zurück blicken. Es gibt Statistiken, wonach jeder vierte Franzose mindestens über einen Einwanderer in seinem Stammbaum verfügt. Diese Multikulturalität zeigt sich im Fußball, in den Medien oder der Popkultur, wo Immigranten zum gewohnten Bild zählen.

Gleichzeitig aber ist Frankreich eine starke Klassengesellschaft geblieben. Viele Kinder afrikanischer und arabischer Einwanderer fristen ein perspektivloses Dasein in den Banlieues am Rande der großen Metropolen. Diese haben sich zu regelrechten Armengettos entwickelt und nicht erst in den vergangenen Nächten zu praktisch rechtsfreien Räumen. In Frankreich weiß man, dass die Unruhen in den Vorstädten soziale Ursachen haben. Die randalierende Migrantenjugend wird mit gutem Grund als les jeunes, die Jugendlichen, bezeichnet. In Deutschland dagegen glaubt man geradezu obsessiv daran, dass die Gründe für solche Konflikte zuvörderst in Kultur und Religion der Einwanderer zu suchen sind.

Das verstellt den Blick auf die eigentlichen Probleme. Wer sich schon einmal in die trostlosen Hochhaussiedlungen der französischen Banlieues verirrt hat, der weiß, dass Deutschland von solchen Zuständen noch recht weit entfernt ist. Das wird in Zeiten von Hartz IV und eines Bildungssystems, das bestehende Chancenungleichheiten eher vergrößert, allerdings kaum so bleiben.