Bewerbersturm auf Billigjobs

Ein Kombilohn wird kaum mehr Menschen einen Job verschaffen, ergibt eine Studie. Es gibt viel zu wenige einfache Arbeiten. Auch eignet sich nicht jeder Jobsuchende dafür, Räume zu putzen oder Alte zu pflegen

Der Mythos hat verschiedene Namen. „Niedriglohnsektor“, „geringqualizierte Jobs“, „Einfacharbeitsplätze“– diese Tätigkeiten sollen mehr Arbeitslose in Lohn und Brot bringen, fordert die Politik auch jetzt wieder. Sie kündigt dazu „Kombilohnmodelle“ an, mit deren Hilfe diese Beschäftigung staatlich subventioniert werden soll. Dass dies womöglich gar nicht funktioniert, ergibt sich aus einer neuen Studie zu „Stellenbesetzungsprozessen im Bereich ‚einfacher‘ Dienstleistungen“, die das Institut Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit angefertigt hat.

Für die Studie befragten die Forscher Unternehmen, die Jobs im Hotelgewerbe, in der Gebäudereinigung, in der Altenpflege und im Einzelhandel anbieten. Keine der befragten Firmen klagte darüber, zu wenig BewerberInnen für die Stellen zu haben. Im Gegenteil: Manche Betriebe meldeten eine „Bewerberflut“, auch bei Jobs mit niedrigem Lohn, eher ungünstigen Arbeitsbedingungen und schlechtem Image.

Auch um dem Bewerberansturm zu entgehen, suchten gerade kleinere Unternehmen daher neue Leute häufig über Mund-zu-Mund-Propaganda der eigenen Belegschaft und schalteten die Arbeitsagenturen eher selten ein. Diese „internen Suchwege“ führen dazu, dass Arbeitslose „tendenziell geringere Chancen haben“, von diesen Stellen zu erfahren, so die IAT-Forscher.

Stimmt der Befund, dann bringen auch „Kombilohnmodelle“ wenig, die für Empfänger von Arbeitslosengeld II einen „größeren Anreiz“ bieten sollen, sich um „Einfachjobs“ zu bemühen. Nach wie vor gäbe es schlichtweg zu wenig dieser Stellen.

Hinzu kommen durchaus komplexe Anforderungen an die Fertigkeiten der BewerberInnen. Körperliche Fitness und „Monotonieresistenz“ allein reichen nicht mehr aus. Oft bevorzugen die Firmen bei der Auswahl inzwischen sogar Leute mit Berufsausbildung, selbst wenn diese fachfremd ist. In der stationären Altenpflege beispielsweise ackern nur zu 15 Prozent Kräfte ohne jede Ausbildung, bei den ambulanten Diensten sind dies noch weniger.

Die Pflegebetriebe erwarten von den Hilfskräften „Empathie und Einfühlungsvermögen“, „Ausgeglichenheit, Geduld, Ruhe“ und die „Fähigkeit zur Nähe auf Distanz“. Auch wenn es für diese sozialen Kompetenzen kein offizielles Zertifikat gibt, verfügen dennoch längst nicht alle Menschen darüber. Vermittler bei den Arbeitsagenturen erzählen oft, dass sich gerade unter Langzeitarbeitslosen nicht nur viele Menschen mit Bandscheibenschäden, sondern häufig auch seelisch Labile finden. Auch dies ist ein Indiz, dass die Vorstellung, man könne mal eben zehntausende von Arbeitslosen in die Altenpflege schicken, falsch ist.

Aber auch für Putzjobs gibt es ein „Tätigkeitsprofil“, das nicht auf jeden Arbeitslosen passt. „Schnelligkeit“ und „Gründlichkeit“ müssen die BewerberInnen vereinen, ein vorteilhaftes „äußeres Erscheinungsbild“ wird mit Rücksicht auf die Kunden verlangt, oft sind Deutschkenntnisse notwendig, „nicht selten lehnten Unternehmen Frauen mit Kopftuch ab“. Ein Probearbeitstag und die Probezeit bieten den Betrieben genug Möglichkeiten, angeschlagene BewerberInnen auszusortieren.

„Einfacharbeitsplätze“ sind nicht „einfach“, so ein Fazit der Studie. In einem Bereich immerhin könnte der Staat aktiv werden: Arbeitslose Mütter können oft Jobs mit abendlicher oder frühmorgendlicher Tätigkeit nicht annehmen, weil die Kinderbetreuungsmöglichkeiten fehlen.

BARBARA DRIBBUSCH