Proteste gegen zwei Jahre Probezeit

In 150 französischen Städten gehen junge Leute gegen Arbeitsverträge mit zweijähriger Probezeit auf die Straße. Doch Premier de Villepin hat es eilig, das „soziale Projekt“, das mehr Arbeitsplätze schaffen soll, durchzuziehen – notfalls ohne Parlament

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Premierminister Dominique de Villepin nennt sein Gesetz „das sozialste Projekt für junge Leute, das je vorgeschlagen wurde“. Er hat den „Contrat première embauche“ (CPE) im Januar ohne vorherige Konsultation mit Gewerkschaften und UnternehmerInnen und trotz der Kritik seiner Fachminister für Arbeit und Soziales vorgelegt.

Gestern fanden an 150 Orten in Frankreich Demonstrationen dagegen statt. Die jungen Leute waren in der Mehrheit. Ihre Forderung: „Weg mit dem CEP“. Zur selben Zeit debattierten die parlamentarischen GegnerInnen des Gesetzes über ihre 440 Änderungsanträge. Verhindern können die ParlamentarierInnen nichts. Denn erstens hat die rechte UMP die absolute Mehrheit. Zweitens hat der Premier durchblicken lassen, dass er notfalls auf Artikel 49-3 zurückgreift. Damit kann er das Gesetz einführen – ohne Debatte und Abstimmung im Parlament.

Der CEP richtet sich ausschließlich an junge Leute unter 26 Jahren. Für sie schlägt der neue generationsgebundene Arbeitsvertrag eine Probezeit von zwei Jahren vor. In dieser Zeit kann der Patron seine jungen Beschäftigten jederzeit entlassen.

Für de Villepin ist das Gesetz ein Teil der „Politik für die Chancengleichheit“. Nach den Revolten in zahlreichen französischen Vorstädten im Oktober und November 2005 hat der Regierungschef diesen Arbeitstitel für das laufende Jahr erfunden. Er argumentiert, der CPE würde zusätzliche Arbeitsplätze schaffen.

Dem widerspricht die Erfahrung mit dem im vergangenen August eingeführten anderen Billigarbeitsvertrag. Jener CNE gilt nur für kleinere Unternehmen, allerdings für Beschäftigte jeden Alters. Sie kommen seit August in den zweifelhaften Genuss von zwei Jahren Probezeit.

Der UnternehmerInneverband Medef findet, dass beide Gesetze nicht weit genug gehen. Sie enthielten immer noch, so der Medef, zu eng gesteckte Regeln. Die Gewerkschaften, StudentInnenvereinigungen und linken Parteien sind davon überzeugt, dass damit keine neuen Jobs, sondern bloß „zusätzliche soziale Unsicherheiten aufseiten der Beschäftigten entstehen“.

„Wer wird es bei einer täglichen Kündigungsmöglichkeit ohne Begründung noch wagen, eine Lohnerhöhung zu verlangen? Wer wird sich trauen, sich gewerkschaftlich zu organisieren?“, fragt die größte Gewerkschaft CGT. Andere KritikerInnen, darunter auch die rechtsliberale Partei UDF, halten es für falsch, ein Sonderrecht für junge Beschäftigte zu schaffen.

In den Protestzügen gestern erklärten junge Leute, dass keine Bank einen Kredit, keinE VermieterIn eine Wohnung an Leute vermittelt, die keine festen Arbeitsverträge haben. Andere wehrten sich, dass sie als junge gegen ältere Beschäftigte ausgespielt werden, „um die Löhne und Sozialleistungen zu drücken“.

Bei dem für heute angesetzten „linken Gipfel“ von PS, KPF und Grünen soll es auch um die Jugendarbeitslosigkeit gehen. Mit beinahe 23 Prozent landesweit und mit mehr als 40 Prozent in jenen Vorstädten, in denen im vergangenen Herbst tausende von Autos in Flammen aufgegangen sind, ist die Jugendarbeitslosigkeit eines der größten sozialen Probleme des Landes.

Darüber sind sich alle Beteiligten einig. Auch deswegen hat de Villepin es eilig. Mit seinem Vorpreschen in sozialen Fragen, 15 Monate vor den Präsidentschaftswahlen, will er sich nicht nur in seinem politischen Lager gegen den Rivalen Nicolas Sarkozy profilieren, sondern auch der oppositionellen Linken den Wind aus den Segeln nehmen. Bislang hat keiner der potenziellen linken PräsidentenkandidatInnen einen Plan gegen die Jugendarbeitslosigkeit vorgelegt.