Eine reine Vertrauensfrage

Erst wechselte Gerhard Schröder in die Gasbranche, nun wandert auch noch sein ehemaliger Wirtschaftsminister Wolfgang Clement in die Wirtschaft. Ist unser Befremden darüber berechtigt?

VON STEPHAN KOSCH

Soll man sich wirklich noch aufregen? Darüber, dass der frühere Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement nur ein paar Monate nach Dienstende seinen dritten gut bezahlten Nebenjob in der Wirtschaft bekommt? Er sitzt bereits im Aufsichtsrat beim Putzkolonnenkonzern Dussmann und im Beirat eines Pressespiegelverkäufers. Und jetzt bekommt auch er auch einen Aufsichtsratsposten innerhalb des RWE-Konzerns.

Wäscht eine Hand …

Man kann sich zumindest ein wenig echauffieren. Denn immerhin war Clement als Wirtschaftsminister für die Verabschiedung von Gesetze zuständig, die auch dem RWE-Konzern zugute kommen. Ein Posten im Aufsichtsrat als Dank für besondere Verdienste? Gut, Clement wäre damit nicht der Erste. Sein Vorgänger Werner Müller hat mittlerweile auch einen guten Posten im Eon-Konzern, dem Unternehmen, das erst durch eine Ministererlaubnis zu einem der größten Gasversorger Europas werden konnte.

Apropos Gas: Gerhard Schröder hat doch auch in der Branche angeheuert und soll die Geschäfte bei der Ostseepipeline kontrollieren, die er gemeinsam mit seinem Kumpel Putin auf den Weg gebracht hat. Eine Hand wäscht offenbar doch die andere. Wie gerne würde man bis 67 oder noch viel länger arbeiten – bei solchen Jobs.

Nun sollte man sich aber nicht einfach in Rage reden, die ganze Mischpoke verfluchen und frustriert zum Bierglas greifen. Schließlich geht es ja hier um den klaren Blick, nicht um blinde Wut. Und der Groll, so viel Ehrlichkeit muss sein, speist sich auch aus unserem Neid. Wir ärgern uns auch darüber, dass Eon und RWE nicht uns so einen netten Nebenerwerb anbieten. Was hätten sie auch davon?

Eine weitere Frage zur Selbsterkenntnis: Würde es uns wütend machen, wenn Schröder, Clement und Co. gegen ein ordentliches Gehalt wirkungsvolle Lobbyarbeit für eine „gute Sache“ machen, sich für amnesty international oder gegen die Umweltzerstörung einsetzen würden? Würde uns beispielsweise ein Aufsichtsratsposten für Jürgen Trittin bei einem Ökostrom-Anbieter ebenso ärgern? Käme darauf an …

Worauf? Auf meine eigene Überzeugung! Denn – so viel sei den Exregierenden zugestanden – auch sie dürften eher aus Überzeugung handeln denn aus purer Geldgier. Clement hält es gewiss für richtig, dass unsere Energieversorgung in der Hand weniger und mächtiger Konzerne liegt. Und dass starke nationale Wirtschafts-Champions allen Deutschen zugute kommen, wobei die wirtschaftliche Expertise eines Politiker sehr hilfreich sein kann – für alle Beteiligten. An der daraus entstehenden Nähe zwischen beiden Welten würden auch gesetzliche Fristen für einen Wechsel von der Regierungsbank auf den Chefsessel nichts ändern, wie das Beispiel USA zeigt.

… wirklich die andere?

Doch auch wenn die Wut durch solche Sichtgläser gefiltert oder gar gebrochen wird – es bleibt ein Unwohlsein, das vielzitierte „G’schmäckle“. Zu Recht. Denn wir haben den ehemaligen Politikern erst ermöglicht, Kontakte zu knüpfen und Kompetenzen zu erwerben. Wir haben sie in die Jobs gewählt, die ihnen einen lukrativen Nebenerwerb ermöglichen. Wir haben ihnen Vertrauen geschenkt und konnten es ihnen auch wieder entziehen, solange sie noch in der Politik tätig waren. Diese Macht haben wir nun verloren.

Wir müssen Schröder, Clement und Co. zutrauen, dass sie in den Aufsichtsräten irgendwie auch für das Gemeinwohl sorgen, vielleicht aus alter Gewohnheit. Oder wir lassen es bleiben. Ob das G’schmäckle uns passt oder nicht – es ist eine Frage des Vertrauens.