„Für Einsparungen bleibt nicht viel Raum“

Der Jugendarbeit fehlt es nicht an Ideen, sondern an Geld, sagt Norbert Struck von der AG für Kinder- und Jugendhilfe. Damit widerspricht er dem Kriminologen Pfeiffer, der in der taz die Jugendhilfe kritisierte

taz: Herr Struck, in NRW steht eine Volksinitiative gegen die geplanten Kürzungen in der Jugendarbeit an. Macht das Sinn?

Norbert Struck: Ich bin zwar nicht vor Ort, aber ich weiß, dass schon früher eine Volksinitiative gegen die Kürzungen erfolgreich war. Viele Politiker – damals Opposition, heute in der Regierung – haben damals die Forderungen dieser Initiative vehement unterstützt. Insofern erscheint es mir plausibel, dass man es noch einmal probiert. Natürlich steckt bei den Betroffenen auch viel Empörung und Frust dahinter, weil der Erfolg der Initiative darin bestand, die Landesmittel für die Jugendarbeit gesetzlich festzuschreiben und Planungssicherheit zu geben. Der CDU werden deshalb auch sehr stark die Äußerungen von vor einem Jahr vorgehalten, als sie sich noch gegen Kürzungen ausgesprochen hat.

Wo könnte gespart werden?

Das ist schwer zu sagen. Insgesamt beansprucht die Kinder- und Jugendarbeit nur 6,7 Prozent der Mittel, die im Jahr für Kinder- und Jugendhilfe ausgegeben werden. Für viele notwendige Projekte werden keine Gelder zur Verfügung gestellt. In Ostdeutschland haben zum Teil fast 60 Prozent der Mitarbeiter unbefristete Arbeitsverträge. Da bleibt nicht viel Raum für Einsparungen.

Der Kriminologe Christian Pfeiffer sagte im taz-Interview, dass sich Jugendarbeit vielfach nicht bewährt habe. Stimmt das?

Was Kinder- und Jugendarbeit angeht, weiß Herr Pfeiffer offensichtlich nicht, wovon er spricht. Es gibt bundesweit ungefähr 17.000 Einrichtungen mit rund 45.000 MitarbeiterInnen – ein breites Spektrum von integrativen Maßnahmen bis zu kulturellen und politischen Bildungsangeboten. Wie man da so eine pauschale Aussage tätigen kann, ist mir schleierhaft.

Wo sehen Sie Defizite in der Kinder- und Jugendhilfe?

Worauf ankommt, sind vernünftige Strukturen. Bisher läuft es so: Jemand schlägt Alarm, dann wird ein Aktionsprogramm gestartet, und für kurze Zeit stehen dafür Mittel bereit. Auf diese Weise zerfasert die Jugendarbeit. Was wir brauchen, ist eine vernünftige und zuverlässige Infrastruktur auf kommunaler Ebene, wo Kinder und Jugendliche mit ihren eigenen Programmen unterstützt und gefördert werden. Das Problem ist, dass die Jugendarbeit zwar Pflichtprogramm der Kommunen ist, aber der verpflichtende Charakter nur sehr unspezifisch ist. Deshalb ist die Kinder- und Jugendarbeit oft schnell von Kürzungen bedroht.

Pfeiffer sagte, es fehle an konkreten Konzepten in der Jugendarbeit.

Es gibt jede Menge Konzepte. Man kann die genauen Verhältnisse aber nur vor Ort untersuchen und schauen, was es dort für Angebote gibt. Oft fehlt es an Ressourcen, um die Ideen umzusetzen.

Muss Kinder- und Jugendhilfe schon viel früher beginnen, etwa was die Gewaltprävention angeht?

Es reicht nicht aus, nur in Frühwarnsysteme zu investieren, also ausschließlich Prävention bei Ungeborenen in Risikofamilien oder in der frühen Kindheit zu betreiben. Die älteren Kinder und Jugendlichen bekommen so schnell das Gefühl: Die schreiben uns ab.

Erreicht die Jugendarbeit ihre Zielgruppen nicht, wie Pfeiffer behauptet?

Ich weiß nicht, wie er zu so pauschalen Behauptungen kommen kann. Es gibt sehr unterschiedliche Zielgruppen. Jugendarbeit ist unter anderem auch eine Form von selbstorganisierter Arbeit junger Menschen. Hierin kann auch Schule von der Jugendarbeit lernen.

INTERVIEW: GESA SCHÖLGENS