Grüne verkaufen 9.000 Stadt-Wohnungen

Mit dem Erlös will Schwarz-Grün in Freiburg öffentliche Schulden tilgen. Dagegen plant die SPD ein Bürgerbegehren

BERLIN taz ■ Zusammen mit der CDU planen die Grünen in Freiburg, rund 9.000 Mietwohnungen aus öffentlichem Besitz zu veräußern. Dieter Salomon, grüner Oberbürgermeister, hat diese Absicht jetzt offiziell verkündet. Bis zum 4. Juli soll der Stadtrat einen grundsätzlichen Beschluss fällen. Mit 15 grünen und 13 christdemokratischen Sitzen verfügen die beiden Parteien über die Mehrheit im Stadtparlament.

Seit die Stadtregierung von Dresden im März den Verkauf aller 48.000 kommunalen Wohnungen an die US-Firma Fortress beschloss, wird über das Thema auch bundesweit gestritten. Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine will die Dresdner PDS-Politiker, die für den Verkauf gestimmt haben, aus der Partei ausschließen lassen. Bundestagsabgeordnete der SPD warnen vor der zunehmenden Spekulation mit Mietwohnungen.

Die Motivation der Freiburger Stadtregierung ist die gleiche wie in Dresden: Durch den Verkauf der Wohnungen besteht die Chance, auf einen Schlag alle Schulden der Stadt zurückzuzahlen und wieder Geld für dringende Investitionen zur Verfügung zu haben. Noch liege kein Haushaltsplan vor – „wenn aber die Zahlen so sind, wie der Oberbürgermeister sie darstellt, ist der Verkauf unvermeidbar“, sagt Maria Viethen, die grüne Fraktionsvorsitzende im Freiburger Stadtrat. Bis Ende 2007 wüchsen die Schulden der an sich reichen Stadt am Fuße des Schwarzwaldes auf rund 370 Millionen Euro. Das bedeutet etwa 27 Millionen Euro Tilgung und Zinsen pro Jahr – angesichts eines gesamten Budgets von rund 550 Millionen jährlich eine beträchtliche Summe.

Die Veräußerung der 9.000 Wohnungen soll etwa 500 Millionen Euro einbringen. Das würde ungefähr reichen, um die Schulden der Kommune und auch die der städtischen Gesellschaft Stadtbau zu tilgen, der die meisten Wohnungen gehören.

Die 8 Parlamentarier der SPD im Stadtrat und die 6 der Unabhängigen Linken werden das Vorhaben wohl ablehnen. Sie denken bereits über ein Bürgerbegehren gegen den Grünen Salomon nach. Walter Krögner, Kreisvorsitzender der SPD, sagt, dass „gerade bei den Schwächsten abkassiert“ werde. Wenn ein US-Investor wie Fortress die Freiburger Wohnungen übernehme, würden die Mieten wesentlich stärker steigen als bisher. Daran könne auch die von Grünen und SPD in Aussicht gestellte Sozialcharta nichts ändern, argumentiert Krögner. Außerdem werde der Stadtverwaltung die Möglichkeit genommen, bestimmte Problemgruppen unter den Sozialmietern über das Stadtgebiet zu verteilen, um die Bildung von Ghettos zu vermeiden.

Einstweilen würde Freiburg durch den Verkauf der Wohnungen finanziell gut dastehen – möglicherweise aber nicht auf Dauer. Zwar verschwinden die alten und aktuellen Schulden, doch das permanente, strukturelle Defizit im Haushalt der Stadt bleibt. Um auch dieses in den Griff zu bekommen, lässt sich der Grüne Salomon gerade noch andere Mittel einfallen. So wird das Baudezernat der Stadt aufgelöst, und Schulen sollen von privaten Investoren mit privatem Geld saniert werden. In der Fachsprache heißt das „public private partnership“ – die Stadt würde die Sanierungskosten langsam abstottern.

Die grüne Bundespartei begleitet das Wirken ihres bekannten Oberbürgermeisters derweil mit gemischten Gefühlen. Kerstin Andreae, die kommunalpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, die selbst aus Freiburg stammt, hat ein Positionspapier verfasst. Darin entscheidet sie sich für ein klares Sowohl-als-auch. Die Sanierung der öffentlichen Finanzen sei wichtig, so Andreae, aber den gesamten Wohnungsbestand solle eine Stadt dann auch nicht verkaufen.HANNES KOCH