Noch mehr Hürden

SPD gibt nach: Einbürgerungswillige müssen künftig eine Prüfung zur Staatsbürgerkunde ablegen

VON DER ZUGSPITZE UND AUS BERLIN MAX HÄGLER
UND SABINE AM ORDE

Wer Deutscher werden will, muss künftig einen Einbürgerungskurs belegen. Die erfolgreiche Teilnahme daran wird überprüft. Für Kurse und Prüfungen soll das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das beim Bundesinnenministerium angesiedelt ist, bundesweit einheitliche Standards festlegen. Die konkrete Ausgestaltung aber bleibt Sache der einzelnen Länder. Dafür soll es jedoch in Zukunft bundesweit einheitliche Sprachtests geben. Das ist das zentrale Ergebnis der Frühjahrskonferenz der deutschen Innenminister, die gestern in Garmisch-Partenkirchen zu Ende ging. „So weit waren wir noch nie“, jubelte Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU) stellvertretend für die Unions-geführten Länder. Kein Wunder: Im Vorfeld der Innenministerkonferenz (IMK) hatten zahlreiche Vertreter der SPD Einbürgerungstests noch strikt abgelehnt.

Einen deutschen Pass kann künftig bekommen, wer mindestens 8 Jahre in Deutschland lebt, sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennt und eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz übersteht. So weit, so alt. Ändern werden sich die Anforderungen an die Rechtstreue: „Vom Grundsatz her soll eine gewisse Strafbarkeit dazu führen, dass jemand erst mal keinen Anspruch auf Einbürgerung hat“, erklärte Ehrhart Körting, Berliner Innensenator und Sprecher der SPD-Bundesländer. Bisher lag die Grenze bei 180 Tagessätzen, künftig gelten 90 Tagessätze. Anders als bisher sollen dabei alle angelaufenen Strafbefehle zusammengerechnet werden (siehe Interview unten). Auch die Einbürgerungskurse, deren Rahmen das BAMF festlegt, sind neu.

In den Kursen selbst sollen Träger wie die Volkshochschulen staatsbürgerliches Grundwissen vermitteln. Als Lernpunkte nannte Günther Beckstein, bayerischer Innenminister und derzeit Vorsitzender der IMK, etwa „Konfliktlösung in der demokratischen Gesellschaft“, Grundrechte und Gleichberechtigung. Das erlernte Wissen muss anschließend nachgewiesen werden, aber, so Beckstein, „nicht zwingend durch einen Test“. Solange auch bei der Wissensüberprüfung die BAMF-Kriterien beachtet würden, seien auch Rollenspiele vorstellbar.

„Wir werden wie bisher Ausnahmen zulassen“, versprach Körting mit Blick auf die bundeseinheitlichen Sprachtests, die es künftig geben soll. Auch ein „65-jähriger ehemaliger Bauer aus der Südtürkei“ ohne weitreichende Deutschkenntnisse könne sich schließlich nach Jahrzehnten so weit integriert haben, dass eine Einbürgerung legitim sei. Ebenso sei die 8-Jahres-Grenze flexibel, wie Beckstein erklärte: „Wenn besondere sprachliche Leistungen zu erkennen sind oder ein gesellschaftliches Engagement, dann kann man den Pass schon nach 6 Jahren bekommen.“

Nicht in allem sind sich die Innenressort-Chefs einig geworden. Als etwa SPD-Mann Körting von der „offenen Regelung bei der Frage: Eid oder was anderes“ sprach, da zuckte sein CSU-Kollege Beckstein merklich zusammen. Denn für den Bayern ist wichtig, dass die Einbürgerung feierlich abläuft und nicht „wie eine Baugenehmigung“. Und so wird in Berlin wohl künftig ein fester Händedruck reichen, während im Freistaat der Neudeutsche mit der Hand auf dem Grundgesetz unter der weißblauen Fahne stehen wird.

Nicht nur beim Eid, auch bei den Einbürgerungstests werden sich die Länder weiterhin unterschieden. Hessens Innenminister Bouffier zeigte die Grenzen der Gemeinsamkeit auf: Er „wette“, dass sich im Bundesstandard „unser Leitfaden in Teilen wiederfindet“. Die Prüfungsteile, die sich nicht als Standard wiederfinden, die wird Hessen eben weiter abfragen – alleine. Ähnlich werden vermutlich andere Bundesländer wie Baden-Württemberg verfahren, das mit seinem Muslim-Test die Debatte über Einbürgerung erst angestoßen hat.

Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, hat die Einigung der Innenminister gestern begrüßt. Es gehe nicht darum, neue Hürden zu errichten, sondern den Einbürgerungsprozess angemessen und einheitlich zu gestalten, sagte die CDU-Politikerin. Die Grünen, die Linkspartei und die Türkische Gemeinde in Deutschland dagegen kritisierten die Einigung scharf. Statt Einbürgerung zu fördern, bauten die Innenminister durch verpflichtende Prüfungen zum Abschluss von Einbürgerungstests neue Hürden auf, sagte die grüne Fraktionschefin Renate Künast.

Das kritisiert auch die Linkspartei. „Die Innenminister haben noch immer nicht erkannt, dass es sich beim Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht um die Krönung einer erfolgreichen Integration, sondern um eine Voraussetzung dafür handelt“, so die migrationspolitische Sprecherin der Fraktion, Sevim Dagdelem. Erst mit der Einbürgerung seien gleiche Rechte gewährleistet.

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, befürchtet, dass die Anzahl der seit Jahren rückläufigen Einbürgerungen nun weiter zurückgehen wird. 2004 erhielten nur noch 127.150 Einwanderer einen deutschen Pass, fast ein Drittel weniger als noch im Jahr 2000. „Die Beschlüsse der Innenminister sind ein Zeichen dafür, dass Migranten hierzulande nicht willkommen sind“, sagte Kolat. Statt die Menschen wirklich aufzunehmen, werde ihnen unterstellt, dass sie erst noch zur Demokratie erzogen werden müssen. Die Ideologie der Union habe sich durchgesetzt, auch bei der SPD. „Integrationspolitisch“, so Kolat, „ist das kontraproduktiv.“