„Im Boot der Eigentümer“

Alles soll so bleiben, wie es ist, aber bitte doppelt so profitabel: Josef Depenbrock, der neue Chef-redakteur und Anteilseigner der „Berliner Zeitung“, lud zum Gespräch über die Zukunft der Zeitung

AUS BERLIN HANNAH PILARCZYK

„Ich kann doch nicht alles machen.“ Ein bisschen erschöpft klang Josef Depenbrock zum Schluss dann doch. Kein Wunder, hatte sich der neue Chefredakteur der Berliner Zeitung und Vorstandsmitglied des neuen Eigentümers, der BV Deutsche Medienholding, am Donnerstagabend doch zwei Stunden lang den Angriffen seiner neuen LeserInnen und seiner neuen RedakteurInnen erwehren müssen.

Eigentlich geht das aber schon seit zwei Wochen so – eben seit dem Montag, an dem der 44-Jährige der Redaktion vor die Nase gesetzt wurde, obwohl man sich noch mitten in Verhandlungen über ein Vetorecht des Redaktionsausschusses bei der Berufung des Chefredakteurs befand. Prompt begrüßte die Redaktion Depenbrock mit einer zwölfseitigen Notausgabe, und die LeserInnen ließen eine Lawine von Zuschriften folgen, in denen sie sich besorgt um die Zukunft ihrer Zeitung äußerten.

Um die Sorgen zumindest Letzterer auszuräumen, hatte Depenbrock für Donnerstagabend in das Verlagsgebäude am Alexanderplatz eingeladen. Rund 50 LeserInnen folgten der Einladung, es kamen aber auch einige Mitarbeiter aus Redaktion und Verlag. Die verließen zwar die Gesprächsrunde, bei der Ewald B. Schulte als Sprecher des Redaktionsausschusses mit auf dem Podium saß, relativ schnell wieder – zum einen irritiert durch den frohnatürlichen Ton, den Depenbrock zu Beginn anschlug („Danke auch an die Kollegen, die so viel über uns berichtet haben. Wenn Sie jetzt einen Bauern auf der Schwäbischen Alb fragen, was die wichtigste deutsche Zeitung sei, würde der bestimmt Berliner Zeitung sagen.“), zum anderen, weil sie meinten, dass nichts Neues aus dem Mund des Neuen käme.

Doch das stimmte nur halb: In dieser Verbindlichkeit so noch nicht gehört, bekannte sich Depenbrock zur Berliner Zeitung als Autorenzeitung. Einsparungen im redaktionellen Bereich seien nicht vorgesehen, am ehesten würde bei Verlag und Management angesetzt.

Auch eine Neuausrichtung der Zeitung nach Blattanalysen, die unter anderem die Vermischtes-Seite als besonders beliebt hervorhoben, sei nicht geplant: „Wir werden diesen Untersuchungen nicht folgen. Auch Hochkultur soll bleiben.“ Bei seinem Amtsantritt hatte sich Depenbrock noch gewundert, warum das Feuilleton 13 Redakteure brauche, wenn dem populären Vermischten 1,6 Stellen reichten. Überhaupt zeigte sich Depenbrock, bisher übrigens in entsprechender Doppelfunktion beim Boulevardblatt Hamburger Morgenpost beschäftigt (siehe Kasten), verwundert darüber, warum man mit ihm den qualitativen Niedergang der Berliner Zeitung verbinde: „Als Chefredakteur macht es für mich doch gar keinen Sinn, eine schlechte Zeitung zu machen. Wenn dem so wäre, könnte ich die Zeitung auch in zwei, drei Jahren verkaufen und mich nach Mallorca verabschieden.“

Damit hatte Depenbrock aber genau die Probleme benannt, die mit seiner Ernennung einhergehen. Denn als Chefredakteur macht es sicherlich keinen Sinn, eine abgeflachte Zeitung zu produzieren – als Eigner, dem eher Rentabilität als Qualität am Herzen liegt, aber schon. Und als genau solcher ist Depenbrock auch in Berlin angetreten. Als die BV Deutsche Medienholding unter Leitung des britischen Finanzinvestors David Montgomery in den deutschen Zeitungsmarkt einstieg und sich nach dem Berliner Verlag auch die Hamburger Morgenpost (Mopo) einverleibte, strich Depenbrock als Anteilseigner an der Mopo von den rund 28 Millionen Euro Kaufpreis 10 Prozent ein. Zugleich wechselte er in den Vorstand der Holding. Seine Anteile an dieser bezeichnet er aber als „mikroskopisch“, denn seine 2,8 Millionen Euro aus dem Mopo-Verkauf habe er nicht reinvestiert: „Die habe ich fest in der Tasche!“, rief Dependrock freudig in die Runde. Dennoch gestand er, vergleichsweise demütig, ein: „Den Eindruck, dass ich im Boot der Eigentümer sitze, werde ich hier nicht ausräumen können.“

Außerdem beschrieb Depenbrock mit seiner „Mallorca-Option“ ziemlich genau die Geschäftsstrategie der Holding: schnell und viel Geld herausschlagen, dann schnell und für noch mehr Geld verkaufen. Für die Berliner Zeitung hat die Holding beispielsweise eine Rendite von 20 Prozent vorgegeben, die die Zeitung innerhalb von drei Jahren erwirtschaften soll und die momentan fast einer Verdoppelung der aktuellen Marge gleichkommt. Von einem Leser darauf angesprochen, lavierte Depenbrock entsprechend herum: „Da rechnet man von Land zu Land unterschiedlich.“

Vielleicht gibt es ja auch ein besonderes ausländisches Rechenverfahren, das Depenbrock dabei hilft, die Rendite der Berliner Zeitung zu verdoppeln, ohne an der Redaktion zu sparen. Nach den deutschen Grundrechenarten kommt das nämlich nicht hin.