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: Mit einem breiten Lächeln für die Straße

Wolfgang Tiefensee ist ein Betonminister. Er lacht breit, wenn er mit der Kanzlerin Merkel Bändchen durchschneiden kann. Etwa um die Thüringer Waldautobahn oder die Ostseeautobahn zu eröffnen. Genauso feiert er aber auch kleine Straßenerfolge wie die „gelungene Fertigstellung des 2. Bauabschnitts der Südumgehung Leipzig“. Zudem engagiert er sich in der Initiative Luftverkehr. Ein Politiker, der den Verkehr lenken will, agiert anders.

„Er hat keine Ideen“, sagt Rüdiger Rosenthal vom Umweltverband BUND. Und Daniel Kluge vom Verkehrsclub Deutschland bestätigt: „Die Bahn interessiert ihn nicht.“ Das war bei Tiefensees Vorgängern im Amt allerdings nicht anders. Er ist der fünfte SPD-Verkehrsminister seit 1994. Deshalb passt ins Bild, was sonst selten ist: Der Minister beschneidet seine eigene Macht. Bei einer Privatisierung will er der Deutschen Bahn AG das Streckennetz überlassen. So wird sie – und nicht er – bestimmen, ob eine Regionalstrecke ausgebaut wird oder nicht.

Dabei hört sich der 1,98-Meter-Mann sehr energisch an. Er sagt nicht nur, „die Würfel sind gefallen“, sondern verspricht auch, „klaren Tisch zu machen“ oder „reinen Wein einzuschenken“. Außerdem startete er im vergangenen November ehrgeizig in sein neues Amt. Er zog sich zunächst zurück, um sich „intensiv“ von seinen 1.600 Mitarbeitern „beraten zu lassen“. Nur fiel er seitdem nicht mehr groß auf, obwohl er den größten Investitionshaushalt im Kabinett verwaltet – 23 Milliarden Euro.

Tiefensee eilte der Ruf voraus, er sei der Macher aus dem Osten. Doch Tiefensees Rebellen-Zeiten sind lang vorbei: Der studierte Elektrotechniker sträubte sich gegen den Wehrdienst mit der Waffe und wurde Bausoldat. Er engagierte sich in der Kirchenarbeit. 1989 saß er für die Bürgerbewegung „Demokratie jetzt“ am runden Tisch. Lange soll er gezögert haben, bis er in die SPD eintrat. 1998 gewann er dann aber die Wahl zum Oberbürgermeister als Sozialdemokrat.

Er wusste sich in Szene zu setzen: Der Sohn eines Kapellmeisters spielte Cello, um die anderen Kandidatenstädte bei der Olympia-Bewerbung auszubooten. Dann gab es Kratzer. Das überdimensionierte Stadion, das er bauen ließ, wurde nicht gebraucht: Die Leipziger Fußball-Clubs schwächeln. Das Regierungspräsidium ermittelt, weil er den Stadtrat bei Entscheidungen umgangen haben soll. Noch eine unglückliche Entscheidung: Er ließ die ganze Leipziger Innenstadt für die Bahn untertunneln – aber die weigert sich, ihre Fernzüge dort durchzuschicken. Tiefensee ist der einzige Ostdeutsche im Kabinett neben der Chefin. Mehr hebt ihn derzeit nicht ab.

HANNA GERSMANN