DEM WIRTSCHAFTSWACHSTUM FEHLT DIE NACHHALTIGKEIT
: Angstkonsum bringt keinen Aufschwung

Die Stimmung könnte kaum besser sein, zumindest auf dem Papier. Ein Sechsjahreshoch der guten Laune im deutschen Mittelstand meldet der Deutsche Industrie- und Handelskammertag. Auch das Konsumklima ist auf Rekordniveau, verkündet zeitgleich die GfK. Doch so schön die Meldungen klingen, so trügerisch sind sie. Denn viel mehr als Seelenmassage können die Forscher nicht bieten. Selbst wenn die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 1,8 Prozent wachsen sollte – wie die meisten Konjunkturforscher voraussagen –, dürften die Wende auf dem Arbeitsmarkt und das dafür notwendige Anziehen der Inlandsnachfrage auch diesmal ausbleiben.

Die Stimmung in den Köpfen der Verbraucher wird sich erst verbessern, wenn es gelingt, mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Dazu müssen die Einkommen der Beschäftigten wieder deutlich stärker wachsen als bisher. Es besteht Nachholbedarf, weil die Nachfrage fehlt: Keines der 15 älteren EU-Länder hat in den letzten zehn Jahren so niedrige Lohnzuwächse gehabt wie Deutschland. Die niedrigen Einkommen sind ein wesentlicher Grund für die hohe Arbeitslosigkeit innerhalb Deutschlands. Erst wenn alle mehr in der Tasche haben, wird auch die Beschäftigung zunehmen. Doch dafür stehen die Aussichten nicht besonders günstig. Mehrwertsteuer, Gesundheitskosten und Energiepreise werden 2007 eher weniger als mehr für den Konsum übriglassen. Im nächsten Jahr wird das Strohfeuer verglühen, das derzeit vom Kauf langlebiger Produkte genährt wird, bei denen die Mehrwertsteuererhöhung deutlich zu spüren ist.

Auch der wirtschafts- und sozialpolitische Kurs der großen Koalition lässt keine Besserung erwarten: Statt Arbeitslosigkeit werden Arbeitslose bekämpft, die Gesundheitsreform bestraft die Kranken, und auch die geplante Reform der Unternehmensteuern wird absehbar riesige Löcher in den Haushalt reißen. Bis zu 16 Milliarden Euro Einnahmeausfälle drohen. Selbst die berauschendste Aufschwungsrhetorik der Kopf-hoch-Deutschland-Fraktion wird an diesen falschen Entscheidungen nichts ändern. TARIK AHMIA