Falsche Opferpolitik

Homosexualität war im Dritten Reich verboten. Aber während Männer verfolgt wurden, sind Lesbenbälle bis in die Kriegsjahre hinein überliefert

2003 hatte der Bundestag mit der rot-grünen Parlamentsmehrheit beschlossen, einen Gedenkort für die während der NS-Zeit verfolgten Homosexuellen zu errichten. Erledigt war mit diesem Beschluss auch der Streit, ob das Stelenfeld am Brandenburger Tor ein Mahnmal für alle Opfer des Nationalsozialismus sein solle – oder eines für die ermordeten Juden Europas.

Schwule Männer wurden mit Hilfe des in den Dreißigerjahren eingeführten Paragraphen 175 von den Nationalsozialisten verfolgt – Homosexualität als solche war verboten. Und zwar nur männliche, denn Lesbisches existierte in der (juristischen) Vorstellungswelt der NS-Zeit nicht. Lesben wurden nicht als solche verfolgt – überliefert sind hingegen als BDM-Veranstaltung getarnte Lesbenbälle noch bis in die Vierzigerjahre, die Kriegsjahre, hinein.

Die Frage, ob das Mahnmal für die homosexuellen Opfer der NS-Zeit lediglich den Schwulen gewidmet werden solle oder auch den lesbischen Frauen, war nur kurzzeitig umstritten. Da es keine lesbischen Opfer als solche gab, sollte es den Männern mit dem rosa Winkel (jenem Zeichen, das schwule KZ-Insassen zu tragen hatten) gewidmet bleiben.

Die Initiative für ein Mahnmal, wesentlich befördert vom Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD), wurde überwiegend in einer Öffentlichkeit verhandelt, die sich auf Verbände und Gremien beschränkte. Versuche von Lesbengruppen, sich an dieser Debatte zu beteiligen, wurden zwar nicht offensiv behindert, aber konsequent zum Versanden gebracht.

Der LSVD hatte kein Interesse an einem Ausgleich mit den symbolpolitischen Anliegen der meisten Lesbeninitiativen. Im LSVD, dessen Name suggeriert, er vertrete die bürgerrechtlichen Ansprüche homosexueller Frauen, ist man in dieser Hinsicht stets „blind“ geblieben. In den Worten Maren Kroymanns: „Ich kenne keine Lesbe, die im LSVD ihre Interessenvertretung erkennen möchte.“

Obendrein ist die Initiative um das Mahnmal – das in seiner exklusiv männlichen Fokussierung ebenjetzt umstritten ist – stets befördert worden durch den Bundestagsabgeordneten Volker Beck wie durch den ihm gewogenen Bundesvorstand des LSVD. Das Mahnmalprojekt wird in der homosexuellen Community weithin als LSVD-lobbyistische Promotion in eigener Sache wahrgenommen – leider, denn der Entwurf selbst ist nicht schlecht.

Der Anfang des Jahres prämierte Entwurf zweier Männer, Michael Elmgreen und Ingar Dragset, soll, geht es nach Einsprüchen von Frauen, um die Variante einander küssender Frauen erweitert werden. Die Künstler haben eine Einzelstele entworfen, in der ein Guckloch installiert ist. Erkennbar wird darin ein Paar, ein männliches, das sich umarmt und küsst. Die Entscheidung für diesen Entwurf fand fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt – andere Entwürfe, vor allem weiblicher Künstlerinnen, fanden schon bei der ersten Auswahl keine Berücksichtigung, zumal die Jury en gros männlich blieb.

Die Zeitschrift Emma hat in ihrer jüngsten Ausgabe dazu aufgerufen, die Diskussion um das Mahnmal – dessen Finanzierung noch eines Beschlusses des Bundestages bedarf – neu aufzurollen. Eine gute Chance hierfür ist eine Diskussion in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst, Oranienstraße 25, in Berlin-Kreuzburg, heute um 20 Uhr.

JAN FEDDERSEN