Exportweltmeister Deutschland in der Kritik

Die UN-Handels-und-Entwicklungs-Konferenz warnt vor einer globalen Rezession. Die Deutschen müssten endlich ihre Nachfrage ankurbeln. Kritik gibt es auch an IWF und WTO. Nötig sei eine globale Entwicklungspartnerschaft

BERLIN taz ■ Globale Handelsungleichgewichte stellen eine schwere Bedrohung für die wirtschaftliche Entwicklung weltweit und ganz besonders im Süden dar. Zu diesem Schluss kommt die UN-Handels-und-Entwicklungs-Konferenz (Unctad) in ihrem aktuellen Jahresbericht. Während in den USA ein gigantisches Loch in der Handelsbilanz klafft, häufen Länder wie Deutschland und Japan immer höhere Handelsüberschüsse auf. Diese Schieflage sei nicht mehr lange haltbar, so die Unctad.

Das weltweite Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre hat sich laut der Organisation auf die Entwicklungsländer im Großen und Ganzen positiv ausgewirkt. Die Mehrzahl von ihnen profitiert von der gestiegenen Nachfrage nach Rohstoffen und verarbeiteten Gütern. Jedoch könnte diese bald einbrechen, warnen die Unctad-Ökonomen: „Die USA sind mit ihrer Rolle als globale Wachstumslokomotive am Rande ihrer Belastungsfähigkeit angekommen.“

Die Schuld an ihren riesigen Defiziten geben die USA vor allem China, das dank seiner künstlich unterbewerteten Währung den Weltmarkt mit Billigexporten überschwemme. Die Unctad dagegen verortet die Hauptschuldigen an den globalen Ungleichgewichten im reichen Norden: Die Exportweltmeister Deutschland und Japan hätten nicht genug getan, um ihre Nachfrage daheim auszuweiten und damit ihrerseits das globale Wachstum zu fördern. Die Amerikaner könnten schon bald wegen ihres untragbar gewordenen Handelsbilanzdefizits und dem Wertverlust des Dollar als Abnehmer ausfallen. Die drohende Konsequenz: eine globale Rezession, die vor allem die ärmeren Länder schlimm treffen würde.

Deutliche Kritik äußert die Unctad in dieser Situation auch am Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank und der Welthandelsorganisation (WTO). Diese verordnen den Entwicklungsländern typischerweise eine umfassende Marktöffnung. Waren aus den Industrie- und Schwellenländern drängen nun ungehindert auf die Märkte der Entwicklungsländer. Gerade den ärmsten Ländern wird so der Aufbau einer eigenen Industrie unmöglich gemacht, weil die Konkurrenz bereits etablierter ausländischer Unternehmen übermächtig ist.

Die Unctad plädiert daher für „verantwortungsvolle multilaterale Bemühungen an Stelle von einseitigem Druck auf Entwicklungsländer“. Bislang sind es nur die verschuldeten Länder im Süden, die zu einer Senkung ihrer Defizite und Öffnung ihrer Märkte gezwungen werden. Gegenüber den reichen Industrieländern hat der IWF jedoch keine Druckmittel. So können die USA nicht verpflichtet werden, ihre Defizite zu senken, und Deutschland wird nicht zum Abbau seiner Überschüsse gedrängt. Ein „schnelles internationales Handeln, um die globalen Handelsungleichgewichte zu vermindern“, sei jedoch geboten, schreiben die Unctad-Experten.

Sie setzen sich daher für eine globale Entwicklungspartnerschaft ein. Diese müsse einerseits den Ländern des Südens mehr individuellen Spielraum für eine angepasste Wirtschaftspolitik lassen, als es IWF und WTO bislang tun. Andererseits sei aber auch mehr wirtschaftspolitische Koordinierung nötig, um Ungleichgewichten gerade auch im Norden von vorneherein zu begegnen. NICOLA LIEBERT