Jagd auf Zeitungen

Mit „Kommersant“ ist die letzte unabhängige Tageszeitung in Russland an einen Kreml-Vertrauten verkauft worden. Folgt jetzt die Gleichschaltung?

Aus MoskauKlaus-Helge Donath

Nachdem in Russland die elektronischen Medien gleichgeschaltet wurden, sind nun die Printmedien dran. Der Kreml-nahe Unternehmer Alischer Usmanow erwarb vorige Woche das letzte russische Flaggschiff eines fundierten und unabhängigen Journalismus, die Tageszeitung Kommersant. Zu deren Verlag gehören auch die profilierten Zeitschriften Wlast und Dengi.

Der bisherige Besitzer Badri Patarkatsischwili soll den Verlag für weit mehr als 200 Millionen Dollar verkauft haben. Erst Anfang des Jahres hatte der langjährige Eigentümer Boris Beresowski das Verlagshaus an den befreundeten Patarkatsischwili, einen georgischen Geschäftsmann, überschrieben. Beresowski war vor Jahren im Kreml in Ungnade gefallen und lebt seither im Londoner Exil.

Nach der Enteignung des Ölmilliardärs Michail Chodorkowski fürchtete Beresowski ein ähnliches Schicksal: Wegen eines Interviews mit dem tschetschenischen Rebellenführer Aslan Maschadow verwarnte das Presseministerium schon einmal Kommersant – nächster Schritt wäre der Lizenzentzug gewesen.

Der Eigentümerwechsel ist in Moskau eine probate Methode, Medien auf Linie zu bringen. Zahlreiche Traditionsblätter wie Iswestija, Moskowskije Nowosti und Nesawissimaja Gaseta wurden bereits verkauft. Sie verloren danach an Informationsgehalt und intellektuellem Profil. Der Metall-Milliardär Usmanow versicherte unterdessen, dass er sich nicht in redaktionelle Belange einmischen werde. Ihm ginge es nur um etwas mehr Farbe in der Berichterstattung.

Mit 123.000 Exemplaren zählt Kommersant zu den kleineren Zeitungen. Sie wird vornehmlich in Moskau von Meinungsmachern und Politikern gelesen. „Der Verkauf ist keine private Investition. Der Kreml will die Kontrolle des Kommersant“, sagte Andrej Kolesnikow, einer der bekanntesten Journalisten des Blattes. Die Auswahl der Kandidaten für das Amt des Chefredakteurs scheint dies zu bestätigen. Politische Köpfe sind nicht darunter. Oleg Panfilow vom Zentrum für Journalismus in Extremsituationen meint: „Ich misstraue Leuten wie Usmanow, die ein Jahr vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen Zeitungen aufkaufen.“ Den Kreml beunruhige, dass er kurz vor den Präsidentschaftswahlen noch nicht alle Medien kontrolliere.

In einem Interview ließ Kommersant-Käufer Usmanow durchblicken, dass er an der staatlichen Medienpolitik nichts auszusetzen habe. Das wäre auch verwunderlich. Er soll gute Beziehungen zu fast allen Leitern der Kremladministration und jederzeit Zugang zum Präsidenten haben. Außerdem ist er Chef einer Gazprom-Investmenttochter und Protegé des Gazpromchefs Alexej Miller, seinerseits ein enger Vertrauter Wladimir Putins.

Für Gazprom erledigte Usmanow schon einige unappetitliche Aufträge. Zunächst holte er Firmenaktiva zurück, die sich frühere Gazprom-Manager unter die Nägel gerissen hatten. Ehemalige Geschäftspartner, die sich als störend entpuppten, wanderten auch schon mal ins Gefängnis und wurden gezwungen, auf Teile ihres Eigentums zu verzichten.

Medienbeobachter vermuten, dass Usmanow Kommersant im Kreml-Auftrag erworben hat und an Gazprom-Media weiterverkaufen könnte, dem größten Medienimperium Russlands. Auch die Iswestija erwarb zunächst ein Oligarch, der sie dann an die Gasgesellschaft weiterverkaufte.

Angeblich besitzt Usmanow 2,5 Milliarden Euro. Die riskiert er sicherlich nicht für die Pressefreiheit.