Halbherziges Nein zu Streumunition

„Gefährliche Streumunition verbieten“ will die große Koalition morgen im Bundestag. Aber der Antrag ist eine Mogelpackung: Bestimmte Arten von Streubomben sind ausgenommen. Und bereits vorhandene Munition soll weiter verwendet werden

VON WOLFGANG GAST

Der Name ist eine Mogelpackung. „Gefährliche Streumunition verbieten – Das humanitäre Völkerrecht weiterentwickeln“, so heißt der gemeinsame Antrag von Union und SPD, der morgen in den Bundestag eingebracht wird. Die Bundesregierung wird darin aufgefordert, sich bei den UN „für das Verbot besonders gefährlicher Streumunition“ einzusetzen. Weiter wird gefordert, dass die Bundeswehr „ab sofort auf die Einsatzoption“ bestimmter Arten von Streumunition verzichtet. Nur: ein generelles Verbot der auch Cluster-Bomben genannten Waffensysteme sieht die Initiative der großen Koalition nicht vor. Und von einem sofortigen Ausmustern der umstrittenen Munition aus den Beständen der Bundeswehr ist ebenso wenig die Rede.

Streubomben sind besonders gefährlich und aus militärischer Sicht effizient, weil sie ihre Submunitionen (auch Bomblets genannt) gegen Flächenziele über bis zu 250.000 Quadratmeter große Areale verteilen. Der Anwendung dieser Waffen stellen sich viele Menschenrechtsorganisationen seit langem entgegen. Zwischen 5 und 30 Prozent der Bomblets explodieren nicht beim Aufschlag. Ähnlich wie Landminen stellen sie viele Jahre lang eine Gefährdung für die Bevölkerung dar. Gefährdet sind vor allem Kinder, die die Bomblets wegen ihrer Form und leuchtenden Farbe für Spielzeug halten. Zuletzt wurden Streubomben beim Libanonfeldzug des israelischen Militärs eingesetzt. Die Vereinten Nationen verurteilten den Einsatz als „schockierend und unmoralisch“. Bis zu 100.000 nicht explodierte Bomblets sollen die Bevölkerung des Südlibanon bedrohen.

Die Fehler in der Resolution der Koalitionäre: Einerseits sollen Einsatz und Export von Streumunition dann zulässig sein, wenn sich Quote der nicht explodierten Bomblets unter einem Prozent bewegt. Und aus den Beständen der Bundeswehr sollen die Streubomben des Typs MW-1, die vom Kampfflugzeug „Tornado“ abgeworfen werden können, erst „nach Ende der Nutzung dieses Waffensystems“ verschwinden. Das wird dauern, wie aus einer Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Anfrage der Grünen hervorgeht: „Die Ausphasung der Mehrzweckwaffe MW-1 ist ab dem Jahr 2007 parallel zu der des Waffensystem Tornado vorgesehen und wird absehbar über das Jahr 2016 hinaus erfolgen.“

Organisationen wie Handicap International beanstanden vor allem den Versuch, Waffensysteme von der Ächtung auszunehmen, deren Fehlerquote unter 1 Prozent liegen soll. Selbst die Industrie gebe zu, solch niedrige Fehlerquoten seien „nur unter Testbedingungen“ zu erreichen, erklärt die Organisation. Zudem seien allein im Irakkrieg 2003 zwei Millionen Stück Streumunition eingesetzt worden. Bei einer Fehlerquote von einem Prozent bedeute dies immer noch 20.000 potenzielle zivile Opfer.

Dass es anders geht, zeigt Belgien seit Anfang 2006. Es ist das erste Land der Welt, in dem generell Herstellung, Lagerung und Einsatz von Streubomben verboten sind.