CDU-Minister: Enteignet Eon!

Vorbild sind die USA. Dort wurden bereits Stromkonzerne durch den Druck des Kartellrechts zum Verkauf von Kraftwerken gebracht

VON TARIK AHMIA

Sechs Tage vor dem Energiegipfel der Bundesregierung fährt das Land Hessen schwere Geschütze gegen die Herrscher auf dem deutschen Strommarkt auf. Eon, RWE, Vattenfall und EnBW könnten zum Verkauf von Kraftwerken an kleinere Konkurrenten gezwungen werden, um für mehr Wettbewerb auf dem verkrusteten Strommarkt zu sorgen. „Notfalls muss der Staat das Oligopol zerschlagen“, sagte der hessische Wirtschaftsminister Alois Riehl (CDU) gestern, als er in Berlin Hessens Initiative für mehr Wettbewerb auf dem deutschen Strommarkt vorstellte.

Acht Jahre nach der formellen Liberalisierung in Deutschland funktioniert der Wettbewerb auf dem deutschen Strommarkt noch immer nicht.

Nur noch vier Konzerne halten fast 80 Prozent der deutschen Stromerzeugung in ihrer Hand. Ihre Marktmacht nutzen die großen vier, um konkurrierende Anbieter klein- und die Strompreise dauerhaft hochzuhalten. Nirgendwo in Europa ist Strom heute so teuer wie in Deutschland. Die Verbraucherpreise haben sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Die vier großen profitieren glänzend von der gescheiterten Marktöffnung. Allein Branchenprimus Eon machte als weltweit größter privater Energiekonzern im Jahr 2005 7,3 Milliarden Euro Gewinn vor Steuern.

Weil auch in Zukunft nicht damit zu rechnen ist, dass die Stromkonzerne freiwillig von ihrer Macht etwas abgeben, will Riehl den Wettbewerb nun erzwingen. Riehls Ziel: „Wir wollen die Ausbeutung der Energieverbraucher unterbinden.“

Erreichen will Riehl das durch eine Verschärfung des deutschen Kartellrechts. Die Gesetzesänderung soll dem Staat bei marktbeherrschenden Unternehmen die Möglichkeit geben, eine Änderung der Besitzverhältnisse zu erzwingen. „Wir wollen für die Wettbewerbspolitik ein scharfes Schwert schmieden“, sagte Riehl. Einen Antrag für eine entsprechende Bundesratsinitiative werde Hessen bei der nächsten Konferenz der Wirtschaftsminister der Länder am 7. Dezember einbringen.

“Die Strompreise sind nicht so, wie sie im richtigen Wettbewerb wären“, sagt Christian von Hirschhausen, Professor für Energiewirtschaft und Public Sector Management an der TU Dresden. Er begrüßt die geplante Verschärfung des Kartellrechts. „Die Verringerung der Marktmacht ist ein geeignetes Mittel um den Wettbewerb zu fördern“, sagte Hirschhausen der taz. „Sie ist auch mit dem europäischen Wettbewerbsrecht vereinbar.“ Wenn man ordnungspolitische Grundsätze ernst nehme, dann sei so ein Vorgehen legitim, denn es steigere die Wohlfahrt der ganzen Gesellschaft.

Auch der Vorsitzende der Monopolkommission, Jürgen Basedow, hält die Entflechtung wettbewerbspolitisch für richtig, weil die strukturelle Veränderung den Wettbewerb auf dem Strommarkt fördere. Allerdings warnt Basedow vor den rechtlichen Risiken, die vom Zwangsverkauf von Kraftwerken ausgeht. Eine Enteignung werfe zahlreiche rechtliche Probleme bei der Durchführung und Entschädigung auf. „Das ist sehr schwierig zu verwirklichen.“ Da seien Gerichtsverfahren durch den Eingriff in das Eigentumsrecht der Unternehmen vorprogrammiert.

Diese oligopolistische Marktsituation, sagt Basedow, sei erst im Lauf der letzten Jahre mit Unterstützung der früheren Bundesregierungen verstärkt und zementiert worden. Die Anzahl der großen Energieversorger auf dem deutschen Markt sei von neun in den 90er-Jahren auf heute vier gesunken. „Jetzt muss man zu schärferen Geschützen greifen“.

Basedow setzt dabei auf Europa. „Wir sollten die Vielfalt der Anbieter auf dem EU-Markt nutzen“. Dazu müssten Kapazitäten der Koppelstellen zwischen den nationalen Stromnetzen ausgebaut werden, denn diese stellen einen Flaschenhals beim Stromimport dar. „Das wirft weniger rechtliche Probleme auf und erhöht die Absatzmöglichkeiten für andere Anbieter.“

Grundlage für die glänzenden Erträge der deutschen Stromkonzerne ist auch, dass die großen vier nicht nur im Besitz der meisten Kraftwerke sind, sondern dass sie auch über die Stromnetze herrschen. 24 von 25 europäischen Strommarkt-Regulierern haben sich deshalb für die eigentumsrechtliche Trennung von Stromerzeugung und -transport ausgesprochen. Schon heute ist nach Angaben der EU-Kommission in jedem zweiten EU-Land der Besitz des Stromnetzes von dem der Kraftwerke getrennt. In Österreich, England und Skandinavien regeln staatliche Behörden das Stromnetz. Die Österreicher zahlen heute 15 bis 20 Prozent weniger für Strom als die Deutschen. Auch im Mutterland der Marktwirschaft, den USA, wurden in der Vergangenheit Konzerne mit Anreizen oder durch den Druck des Kartellrechtes erfolgreich zum Verkauf von Unternehmensteilen gebracht. So hat die Zerschlagung des Telefonriesen AT&T in den 80er-Jahren den US-Telefonmarkt beflügelt.