Rücktritt nach Tod eines Kindes

Bremer Sozialsenatorin übernimmt Verantwortung für Versäumnisse des Jugendamts

BREMEN taz ■ „Richtig, nötig und unvermeidlich“ sei der Rücktritt der Bremer Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) gewesen, das hat gestern der Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen erklärt. Röpke hatte kurz zuvor die politische Verantwortung für den Tod eines zweieinhalbjährigen Kindes übernommen, das „in der Fürsorge des Staates“ gewesen sei.

Obwohl eine Amtsvormundschaft bestand, hatte das Jugendamt das Kind dem drogenabhängigen Vater zurückgegeben. In dessen Wohnung war es am Dienstag früh tot im Kühlschrank aufgefunden worden. Ergebnisse der Obduktion lagen gestern noch nicht vor. Der Vater wurde sofort festgenommen, zumal er bereits wegen Raubes verurteilt und nur auf Bewährung freigelassen worden war.

Seine politische Brisanz erhält der Fall dadurch, dass der Bremer Bürgermeister Anfang des Jahres einen Hinweis auf das Schicksal des Kindes erhalten hatte, den er an die Sozialsenatorin weitergab. Der Junge mit Namen Kevin war zum zweiten Mal für einige Wochen in einem Heim untergebracht worden, nachdem seine Mutter tot aufgefunden worden war. Die Staatsanwaltschaft untersucht noch immer, ob es bei dem tödlichen Sturz der Mutter ein Fremdverschulden gegeben hat.

Angesichts des Zustands, in dem Kevin ins Kinderheim gekommen war, hatte die Heimleitung bereits im November 2005 vor einer Rückkehr in die Obhut des Vaters gewarnt. Das Bremer Jugendamt setzte sich aber über die Warnung des Heims hinweg. Um das Schicksal des Jungen scheinen sich die Behörden nicht weiter gekümmert zu haben. Jedenfalls hatte ein Arzt, der den Vater im Juli behandelte, das Kind als letzter lebend gesehen.

Die Sozialsenatorin hatte den Hinweis des Bürgermeisters an das Jugendamt weitergegeben, das die Warnung offenbar ein zweites Mal ignorierte. Was die fachliche Begründung dafür war, konnte die Sozialbehörde bis gestern Mittag nicht mitteilen.

Sie sei betroffen von dem Vorfall und habe „nicht mehr die Kraft, die Aufklärung zu betreiben“, erklärte die Sozialsenatorin gestern. Böhrnsen ging einen Schritt weiter und sagte, das „gesamte Hilfesystem“ müsse auf den Prüfstand. Die Heimleitung hatte ihm gegenüber im Januar darauf hingewiesen, dass sich Praxis der Bremer Sozialbehörde im Umgang mit Kindern in den letzten Jahren geändert habe. Dahinter steht der Verdacht, dass aus Spargründen die Zahl der Heimunterbringungen bürokratisch begrenzt worden ist.

Am heutigen Donnerstag stand eigentlich ein Misstrauensantrag der Grünen gegen die Senatorin auf der Tagesordnung des Landesparlaments – wegen des Vorwurfs mangelnder Aufsicht über die kommunalen Kliniken. KLAUS WOLSCHNER