„Ulises Ruiz muss fallen“

AUS MEXIKO-STADT Wolf-Dieter Vogel

Es sind Lehrer aus der verarmten Sierra Madre de Oaxaca, Hausfrauen aus den Vororten oder linke Studenten. Der Aufstand, der seit fünf Monaten in der südmexikanischen Touristenstadt Oaxaca tobt, hat fast alle Teile der Bevölkerung erfasst. Dabei hatte alles mit einem Ritual begonnen: Im Mai traten 70.000 LehrerInnen für höhere Löhne und bessere Schulbedingungen in den Streik. Doch nachdem der Gouverneur Ulises Ruiz Ortiz am 14. Juni mit einem brutalen Polizeieinsatz gegen die Pädagogen vorging, gab es für die Indígenas, Bauern und Lehrer nur noch ein Ziel: „Ulises Ruiz muss fallen.“ Sie besetzten Radiostationen und legten mit Barrikaden die Stadt lahm. Nichts ging mehr, die örtliche Polizei musste sich zurückziehen. Zu viel schon hatte sich der Politiker der Partei der Institutionellen Revolution (PRI) in seiner knapp eineinhalbjährigen Amtszeit erlaubt. „Schon vor dem Einsatz gegen die Lehrer hatte Ruiz mindestens 36 soziale Führer ermorden lassen“, sagt der Soziologe Gustavo Esteva.

Der Gouverneur des gleichnamigen Bundesstaates Oaxaca gilt als Abbild eines Politikers der PRI, die sich in Mexiko über 70 Jahre mit Korruption, Repression und Wahlbetrug an der Macht gehalten hat. „Wo Stimmzettel verbrannt oder Urnen manipuliert werden, ist Ruiz zur Stelle“, sagt Esteva. Im Juli 2005 drangen Schlägertrupps in die Redaktion der regierungskritischen Zeitung Noticias ein, und die mit Kapuzen getarnten Männer zerstörten die Ausstattung der Redaktion. Ähnlich gingen PRI-Schläger auch gegen die Lehrer und die Aktivisten vor, die sich in der „Versammlung der Bevölkerung Oaxacas“ (Appo) organisiert haben. Vermummte schossen aus Fahrzeugen auf Streikposten oder Demonstranten. So starb beispielsweise der indigene Lehrer Pánfilo Hernández, als er gerade von einem Treffen kam, den Appo-Aktivisten Lorenzo San Pablo Cervantes erwischte es, als er die Eingänge der besetzten Radiostation „La Ley 710“ bewachte. Mindestens zwölf Menschen wurden ermordet.

„Meine Hände sind sauber, ich habe nichts zu verstecken“, sagt Ruiz. Doch Appo-Aktivisten konnten einige Täter „festnehmen“, und immer waren diese in Zivil gekleidete Polizisten oder PRI-Parteigänger. Selbst die Bundesregierung tat sich zunächst schwer, Ruiz zu verteidigen. Lange Zeit weigerte sich der konservative Präsident Vicente Fox, militärisch einzugreifen. Doch als PRI-Aktivisten letzten Freitag den US-Journalisten Brad Will ermordeten und zudem eine Spaltung der Bewegung in Aussicht stand, sah Fox den richtigen Zeitpunkt gekommen, dem Aufruhr ein Ende zu bereiten. Mehrere tausend Polizisten, bewaffnet mit Tränengas, Schlagstöcken und Räumpanzern, stürmten die Touristenstadt. Die Rebellinnen und Rebellen wehrten sich erbittert mit Molotowcocktails und Steinen. Wieder starben mindestens zwei Menschen.

Heute ist Oaxaca von Polizeibeamten besetzt, die Aufständischen haben sich auf das Gelände der Universität zurückgezogen. „Nach allem, was passiert ist, wird Ruiz hier nie mehr regieren können“, meint Soziologe Esteva. Auch der Senat sowie der Kongress haben dem PRI-Mann nahegelegt, sein Amt aufzugeben. Doch Ruiz gibt sich selbstsicher: „Selbst wenn man mir die Pistole auf die Brust setzt, werde ich nicht zurücktreten.“