Die Bachelors kommen

Im Allgemeinen tut sich das Land schwer mit dem Umstellen auf Bachelorprogramme. Aber im Besonderen sind Studierquickies besser als erwartet – sogar in der Philosophie

„Das ist der Beweis dafür, dass der Bachelor mehr Potenzial hat, als wir dachten“

Gegen Philosophiestudenten hegte Rainer Hegselmann immer Vorurteile. „Früher hatten wir nicht immer nur Topleute. Da waren viele, die in Psychologie wegen des Numerus clausus nicht landen konnten – um dann bei uns auf Selbsterfahrungstrip zu gehen“, sagt ein Mann, der wissen sollte, wovon er spricht. Rainer Hegselmann hat einen Lehrstuhl für Philosophie. An der Uni Bayreuth hat er aus seiner Not eine Tugend gemacht – und einen neuen Typ Philosophiestudent geboren.

Das Programm „Philosophy & Economy“ ist ein gut nachgefragter Studiengang, der von 200 Bewerbern nur 88 zulässt. „Wir suchen unsere Studierenden mit Hilfe von Abiturnote und Motivationsschreiben genau aus“, sagt Hegselmann. Dabei dürfte es, hört man die Unkenrufer, die neue Philosophen-Spezies gar nicht geben. Die fränkische Universität bildet in einem sechssemestrigen Studienquickie Bachelor-Philosophen aus – für viele wegen der Verschultheit und der Kürze ein Ding der Unmöglichkeit.

Anders in Bayreuth. Dort wurde das ehrwürdige Fach gewissermaßen vom Kopf auf die Füße gestellt. Landauf, landab brechen neun von zehn ihr Studium auf Magister Philosophie ab. Bei Hegselmann schaffen 80 Prozent den Abschluss. Sie gehen in Master-of-Business-Administration-Programme, das sind die teuren MBAs, die auf Jobs im höheren Management scharf sind. Oder sie machen mit richtiger Philosophie weiter, viele international. Am meisten freut Hegselmann natürlich, dass einer seiner Bachelor-Philosophen in Harvard gerade den Doktor erwirbt – ohne den Master als Zwischenschritt.

Diese guten Bachelor-Nachrichten fallen wie Tropfen in ein Meer der Kritik, das die Einführung der gestuften Studiengänge umgibt. (Siehe links) Die meisten Arbeitgeber kennen den Abschluss immer noch nicht. Viele Fächer sträuben sich, den Bachelor überhaupt als Studium zu bezeichnen. Manche Hochschule versucht ihre alten Magister- und Diplomstudiengänge mit ein paar Retuschen als Bachelorprogramme feilzubieten. Der Stifterverband für die Wissenschaft hingegen war selbst überrascht, als er sich dieser Tage seine vor langem prämierten Bachelorstudiengänge noch einmal zur Nachbeurteilung ansah. „Im Jahr 2003 förderten wir nur vier Studiengänge, obwohl mehr Mittel da gewesen wären“, sagt dazu der Sprecher des Stifterverbandes, Frank Stäudner. „Heute sehen wir: Diese Programme sind er Beweis dafür, dass der Bachelor noch viel mehr Potenzial hat, als wir alle dachten.“

So gelingt es den Studiengängen, die gängigsten Vorurteile zu widerlegen, die man gegen Bachelor anführt. Beispiel Arbeitsmarktrelevanz: Bachelorabsolventen fänden keine Job, heißt es – anders die Examinierten des Düsseldorfer Programms „Sozialwissenschaften“. Dort geht die Hälfte der Studierenden direkt mit dem Bachelor in den Arbeitsmarkt über. Beispiel Abneigung von Ingenieuren gegen den Bachelor: An der TU Darmstadt gibt es einen erfolgreichen Studiengang „Mechanical and Process Engineering“, obwohl die Uni zur Gruppe TU 9 gehört, die dem Bachelorunwesen abschwört.

Diese Studiengänge können nicht die vielen Kritikpunkte ad absurdum führen, die den Bachelor treffen. Aber sie zeigen etwas: Die Uni wird nicht attraktiv, obwohl sie die verschulten Studienquickies namens Bachelor machen muss. Sie wird es, weil sie damit neue Spielräume bekommt. „Wir haben den Bachelor gern gemacht“, sagt Rainer Hegselmann, „denn er gab uns die Chance, die vermaledeite alte Magisterstruktur einzustampfen.“ CHRISTIAN FÜLLER