Roland Koch will kein Erpresser sein

Freie Wähler wollen unter Eid aussagen, dass ihnen der Ministerpräsident die Teilnahme an der Landtagswahl abkaufen wollte. Die CDU weist die Darstellung scharf zurück – und wirft ihrerseits der Wählergemeinschaft einen Erpressungsversuch vor

„Die Strafaktion der Union gegen uns ist perfide“

AUS FRANKFURT AM MAIN KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) gerät durch die Vorwürfe der Freien Wählergemeinschaft (FWG), er habe die Gruppierung mit Steuergeldern von einer Landtagskandidatur abhalten wollen, immer mehr unter Druck. Wie der Landesvorsitzende der FWG, Thomas Braun, gestern erklärte, seien führende Mitglieder der bislang nur kommunal agierenden Freien Wähler bereit, ihre Vorwürfe gegen Koch und Innenminister Volker Bouffier (CDU) unter Eid zu wiederholen. Demnach soll Koch die Einführung einer kommunalen Wahlkampfkostenerstattung nur für den Fall angeboten haben, dass die FWG auf Landesebene nicht antritt.

Die Oppositionsparteien SPD und Grüne denken bereits über die Installation eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses nach. „Die Fakten müssen auf den Tisch“, so der Fraktionschef der Bündnisgrünen, Tarek Al-Wazir, gestern in Wiesbaden. Im Kern gehe es um die Frage: „Lügt Koch, oder sagt er die Wahrheit?“

Koch behauptet jetzt, dass es die Freien Wähler gewesen seien, die bei einem Treffen in der Landesgeschäftsstelle der CDU in Wiesbaden am 3. April dieses Jahres – wie schon in den Jahren zuvor – um Geld aus der Landeskasse für ihre Kommunalpolitiker nachgefragt hätten. Für die Union sei das ein nachvollziehbares Ansinnen gewesen. Denn tatsächlich gebe es auch in Hessen nur für solche Parteien oder Wählervereinigungen eine Erstattung ihrer Wahlkampfkosten, die an Land- oder Bundestagswahlen teilnehmen. Im Innenministerium sei deshalb ein entsprechender Gesetzentwurf zur Finanzierung kommunalpolitisch aktiver Gruppierungen vorbereitet und den Landtagsparteien und auch den FWG zugeleitet worden.

„Das Vorgehen der freien Wähler ist abstoßend“

Anders als früher habe die FWG nun damit gedroht, an den Landtagswahlen 2008 teilzunehmen, falls es wieder nicht zu einer entsprechenden Regelung kommen sollte, so Koch gestern. Der Ministerpräsident nannte das einen „Erpressungsversuch“, dem sich die Union verweigert habe. Inzwischen beschloss die FWG, an den nächsten Landtagswahlen teilzunehmen. Innenminister Volker Bouffier (CDU) stampfte den Gesetzentwurf umgehend ein.

Die FWG behauptet dagegen, dass alles genau umgekehrt gewesen sei. Es sei Koch gewesen, der ein neues Gesetz zur Wahlkampfkostenerstattung von der Abstinenz der FWG bei den nächsten Landtagswahlen abhängig gemacht habe. FWG-Landeschef Braun sagte am Wochenende, es existiere sogar ein Aktenvermerk darüber. Alle vier Mitglieder der FWG, die an diesen Beratungen mit der Spitze der hessischen Union teilgenommen hätten, könnten „dies alles auch vor einem Untersuchungsausschuss oder vor einem Gericht unter Eid bezeugen“.

Die Zeitung Bild am Sonntag zitierte gestern aus diesem Aktenvermerk, der eigentlich ein Gesprächsprotokoll ist. Darin sei festgehalten worden, dass den Freien Wählern „rückwirkend vom 01.01.06 an eine Wahlkampfkostenerstattung von einem Euro bis 1,50 Euro pro Wählerstimme“ zugestanden werde. Aber nur unter der Bedingung, dass die FWG darauf verzichtet, bei der nächsten Landtagswahl anzutreten. Koch habe das „deutlich gemacht“. Die FWG sei von Koch aufgefordert worden, einen solchen Verzicht vor der letzten Lesung des Gesetzes auf einem Landesdelegiertentag zu beschließen. Ein „Erpressungsversuch“, so Braun, dem sich die FWG verweigert habe.

CDU-SPRECHERIN PETRY:

Wer also erpresste wen? Die FWG, sagte die hessische CDU-Sprecherin Esther Petry. Das Vorgehen der freien Wähler sei „abstoßend“. Mit solchen Leuten werde die Spitze der CDU keine Gespräche mehr führen. Als „perfide“ bezeichnete FWG-Mann Braun dagegen die Haltung der Union. Mit der „Strafaktion“ – gemeint ist die Zurücknahme des Gesetzentwurfs – werde auch den anderen kommunalpolitischen Vereinigungen, die nicht in der FWG organisiert seien, jede finanzielle Unterstützung verweigert.

Braun kündigte an, den Gesetzentwurf der CDU als Petition im entsprechenden Landtagsausschuss einreichen zu wollen. Die Bündnisgrünen machten auf eine Diskrepanz zwischen den Einlassungen von Koch und denen von Innenminister Bouffier aufmerksam. Tatsächlich hatte Koch in seiner Antwort auf zehn Fragen der Grünen ausgeführt, den Freien Wählern sei immer gesagt worden, dass der Gesetzentwurf bei einer Teilnahme der FWG an den Landtagswahlen in der Union nicht mehrheitsfähig sei. Bouffier dagegen schrieb in einem Brief an Braun, die Beratungen seien „immer frei von der Option einer Landtagskandidatur der FWG“ geführt worden.