Ein lustiger Preis, im Ernst

Das „Forum Zukunftsökonomie“ verlieh zum ersten Mal den „Preis der Arbeit“ – für ökologisch und sozial wirtschaftende Unternehmen

„Wir sind zwar ein bisschen chaotisch, aber dafür sind wir der einzige Stromversorger mit angeschlossener Kabarettbühne“

VON MARTIN REICHERT

Mit PR einen Akzent gegen PR-Bluffs der Industrie setzen: Der erstmals von der Medienkooperation „Forum Zukunftsökonomie“ verliehene „Preis der Arbeit“ würdigt Unternehmen, die tatsächlich ökologische und soziale Verantwortung übernehmen, statt diese nur wie eine „öffentlichkeitswirksame Monstranz vor sich her zu tragen“, wie Schirmherrin Gesine Schwan, Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), anlässlich der Verleihung im Berliner Café Einstein unterstrich – auf jene Unternehmen anspielend, die sich lautstark zur modischen „Corporate Social Responsibility“ (CSR) bekennen, aber gleichzeitig den Dieselrußfilter blockieren. Je eine vom taz-Karikaturisten „Tom“ eigens dafür kreierte Trophäe aus Holz erhielten am Donnerstag die südbadischen Elektrizitätswerke Schönau und die fränkische Faber-Castell AG, Produzent von Schreib-, Zeichen- und Malgeräten.

Ein lustiger Preis mit ernstem Anliegen: Das „Forum Zukunftsökonomie“, eine Kooperation von sechs Medien, darunter die gewerkschaftliche Mitgliederzeitung ver.di Publik, der sozialdemokratische Vorwärts und die taz, möchte die öffentliche Debatte über nachhaltiges Wirtschaften, über die soziale und ökologische Verantwortung von Unternehmen intensivieren, ansetzend auch an einem laut stellvertretendem taz-Chefredakteur Reiner Metzger in der Öffentlichkeit bereits vorhandenen „Interesse an nachhaltig arbeitenden Betrieben“.

Der Begriff Verantwortung soll ernst genommen und an der wirklichen Unternehmenspraxis gemessen werden: „Es geht nicht an, dass ein Unternehmen einerseits Kultursponsoring macht und andererseits 7.000 Leute entlässt, um den Gewinn zu maximieren“, sagte ver.di Publik-Chefredakteur Martin Kempe und attestierte den PreisträgeriInnen und Nominierten, dass sie sich „zu Recht als Vorbilder bezeichnen lassen können“.

Der so gelobte Jury-Preisträger Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell staunte nicht schlecht, als Schirmherrin Gesine Schwan in ihrer Rede zunächst Karl Marx zitierte: „der Stolz des Adels ist die Zoologie“ – und rasch den Weg zu Kant fand, nach dem es ein Kriterium für Gerechtigkeit sei, wenn etwas nur durchgesetzt werden kann, wenn die Öffentlichkeit teilnimmt und ihre Zustimmung gibt: Die Herstellung von Öffentlichkeit sei die einzige Sanktionsmöglichkeit in einer Zeit, in der der Nationalstaat immer weniger in der Lage sei, das Primat der Politik durchzusetzen.

Faber-Castell wurde von der siebenköpfigen Fachjury, darunter Annelie Buntenbach (DGB), Heide Pfarr (Hans-Böckler-Stiftung) und Hermann-Josef Tenhagen (Stiftung Warentest) auch deshalb ausgewählt, weil er nicht ausschließlich betriebswirtschaftlich denke: Das von ihm geführte Familienunternehmen beschäftigt weltweit rund 5.500 Beschäftigte, deren Arbeitsbedingungen in einer mit der IG Metall abgestimmten Sozialcharta festgelegt sind. Für die Herstellung der bekannten Bleistifte und anderen Gerätschaften verarbeitet Faber-Castell überwiegend Holz aus umweltgerechter, sozialverträglicher und nachhaltiger Produktion – die Firma unterhält unter anderem Aufforstungsprojekte in Brasilien, der verwendete Kautschuk ist PVC-frei, statt Aceton kommt selbstentwickelter Wasserlack zum Einsatz.

Laudatorin Birgit Mahnkopf, Professorin für Europäische Gesellschaftspolitik an der Fachhochschule für Wirtschaft Berlin, lobte darüber hinaus, dass Faber-Castell seine Umweltstandards auch auf seine Zulieferer, etwa in China, ausweiten wird – eine besonders schwierige Herausforderung: „Die Globalisierung wird in Ihrem Unternehmen vorbildlich umgesetzt.“

Faber-Castell bekannte, dass der Teufel oft im Detail stecke: „Werden Dinge tatsächlich auch so umgesetzt, wie wir uns das vorstellen?“ Als Vorstandsvorsitzender der Faber-Castell AG, der das Unternehmen in der nunmehr achten Generation leitet, mahnte er die Besinnung auf Werte an: „Anstand scheint für viele Unternehmen nicht mehr wichtig zu sein.“ Zudem würde der Standort Deutschland zu Unrecht schlechtgeredet: „Wir müssen nur etwas für ihn tun, wir müssen in Deutschland immer besser werden – denn an anderen Standorten wird nicht nur billiger produziert, sondern längst auch gut.“

Der Hauptpreis des Abends wurde jedoch nicht von der Jury, sondern von den LeserInnen vergeben: Die beteiligten Medien hatten im Frühjahr ihre LeserInnen eingeladen, preiswürdige Betriebe vorzuschlagen. Unter rund 70 Vorschlägen hatte das Forum sieben Unternehmen ausgewählt, die im Oktober öffentlich vorgestellt wurden.

Die Abstimmung, an der sich dann fast 3.000 LeserInnen beteiligt hatten, ging recht eindeutig aus: „Sie waren sich einig, die Stromrebellen sollen den Preis bekommen“, verkündete die taz-Redakteurin Ulrike Hermann, die zusammen mit Vorwärts-Chefredakteur Uwe-Karsten Heye das Publikums-Laudatorenteam bildete – und rührte launig die Werbetrommel für die Elektrizitätswerke Schönau GmbH, die seit 1999 bundesweit ökologisch erzeugten Strom anbieten: „Auf der Internetseite sind zwar alle Fotos unterbelichtet, aber ansonsten ist die Homepage sehr erhellend.“ Stellvertretend für die 650 Gesellschafter nahm Ursula Sladek den „Tom“-Preis entgegen: „Wir sind zwar ein bisschen chaotisch, aber der Strom kommt immer zuverlässig aus der Steckdose.“ Übrigens auch bei vier der insgesamt sieben nominierten Unternehmen, die zu würdigen man nicht vergessen hatte: Abgesehen von der Alfred Ritter GmbH (Ritter Sport) beziehen „Die Möbelmacher GmbH“, die „Hess Natur-Textilien GmbH“, die Weleda AG und die „Windwärts Energie GmbH“ ihren Strom aus Schönau – Faber-Castell bezieht immerhin ein Drittel seines Energiebedarfs aus Wasserkraft.

Ursula Sladek versprach zudem, dass im Falle eines durchaus erwünschten Wachstums demnächst sicher auch ein Betriebsrat eingerichtet werde und fügte entschuldigend hinzu: „Dafür sind wir der einzige Stromversorger mit angeschlossener Kabarettbühne.“ Zur Unterhaltung der Gäste im Berliner Café Einstein sang hingegen die famose Damen-Combo „Les Belles du Swing“.