Wechsel auf die Schokoladenseite

Der Grüne Matthias Berninger, ehemaliger Staatssekretär für Verbraucherpolitik, geht zur US-Lebensmittelfirma Mars Inc. Milky Way, Balisto und Bounty sollen in Zukunft gesünder werden. Verbraucherzentralen kritisieren Schoko-Vertrieb an Schulen

VON HANNES KOCH

Möhren statt Schokoriegel – diese Botschaft war Matthias Berninger sehr wichtig. In seiner Zeit als grüner Staatssekretär bei Verbraucherministerin Renate Künast betrieb er Aufklärung über Krankheiten, die übermäßiger Genuss von Süßigkeiten besonders bei Kindern hervorruft. Nun gibt der Grüne seine politische Karriere vorläufig auf und arbeitet ab Februar 2007 beim Nahrungsmittel-Unternehmen Mars Inc. Die aus den USA stammende Firma produziert unter anderem Schokoriegel – Balisto, Bounty, Mars, Milky Way, Snickers, Twix.

Auf der Produktpalette der Firma Mars stehen außerdem die Marken Uncle Ben’s Reis, sowie Tiernahrung unter den Handelsnamen Frolic, Pedigree, Chappi und Whiskas. Bei Masterfood in Brüssel, der Europa-Tochter von Mars, wird Berninger als Abteilungsleiter für Gesundheit und Ernährung tätig sein.

In seinem Abschiedsbrief an die Partei schrieb er: „Ich möchte betonen, dass ich die neue Aufgabe nicht übernehme, obwohl, sondern weil ich Grüner bin.“ Der taz sagte Berninger, dass er für Mars unter anderem eine Strategie entwickeln wolle, mit dem das Unternehmen das Problem von Übergewicht und Fehlernährung angehen könne. „Mars ist ein etwas anderes Unternehmen“, sagte der Grüne. So würden keine gentechnisch veränderten Organismen verwendet. In Großbritannien vertreibt Mars Bio-Lebensmittel unter der Marke „Seeds of Change“.

Die Verbraucherzentralen betrachten Mars weniger freundlich. Der Widerspruch zwischen massenhafter Produktion von Süßigkeiten und gesunder Ernährung lasse sich nicht auflösen, sagte Sprecher Carel Mohn. „Total inakzeptabel ist der gezielte Vertrieb von Süßigkeiten an Schulen“, fügte er hinzu. Den Verbraucherzentralen liegen Belege vor, dass Masterfood zum Beispiel dem Albertus-Magnus-Gymnasium in Bergisch Gladbach Geld für einen Süßigkeiten-Automaten überwiesen hat, aus dem die Schüler Twix und Mars ziehen können.

Zurzeit ist der 35-jährige Berninger wirtschaftspolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion. Er steht für einen grundsätzlich wirtschaftsfreundlichen Kurs. Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit können seiner Meinung nach aber nur erreicht werden, wenn Markt und Wettbewerb durch staatliche Regulierung in die richtigen Bahnen geleitet werden. Unter dem Titel „Mehrwert – Grüne Marktwirtschaft“ hat er zusammen mit anderen den Entwurf für ein Wirtschaftsprogramm der Partei vorgelegt.

Als Staatssekretär im Verbraucherministerium organisierte er zwischen 2001 und 2005 die von der rot-grünen Bundesregierung propagierte Agrarwende. Er setzte sich ein für die Unterstützung der Biolandwirtschaft und den Verbraucherschutz.

Im Alter von nur 23 Jahren hatte Berninger 1994 sein Bundestagsmandat in Hessen gewonnen. Bei einem Landesparteitag hatte sich der damalige Chef der grünen Jugend Hessens überraschend gegen Hubert Kleinert, einen Vertrauten von Grünen-Star Joschka Fischer, durchgesetzt. Berninger baute sich als Sprecher der neuen Generation gegen die Veteranen von 1968 auf. Im weiteren Sinne wurde er immer dem Realo-Flügel Fischers zugerechnet. Nach der Abwahl von Rot-Grün setzte sich der amtierende hessische Landesvorsitzende der Grünen für Gespräche mit Union und FDP ein.

Berninger ist nicht der erste Grüne, der in die Wirtschaft wechselt. Vor ihm ging die ehemalige Bundesvorsitzende Gunda Röstel zu einem Wasserversorger und der frühere Wirtschaftsstaatssekretär Rezzo Schlauch als Berater zum Stromkonzern EnBW. Für sie kommt die Rückkehr in die offizielle Politik kaum in Frage. Berninger hingegen schätzt seine Zukunft anders ein: „Ich habe zu gerne Politik gemacht, um von einem Abschied für immer zu sprechen“, schrieb er gestern an die Grünen. Sein Brief endet: „Wandel und Wechsel liebt, wer lebt.“