Wer hat Angst vor den Blumen?

Schleswig richtet die erste Landesgartenschau Schleswig-Holsteins aus. Doch vor Ort sind nicht alle von den Plänen der gemeinnützigen Landesgartenschau GmbH begeistert. Die Einschränkungen sind spürbar und der Erfolg ist ungewiss

Von ESTHER GEISSLINGER

Die Gruppe stapft unter einem wolkendichten Winterhimmel über den schlammigen Boden, vorne erzählt Otto Fandrey, der Planer, von den Blumen und Büschen, die hier demnächst Aufstellung nehmen, gepflanzt nach einem gewaltigen Generalstabsplan. Der Himmel droht mit Regen, ein paar hundert Meter entfernt ragt der Schleswiger Dom gegen die Wolken. Einige aus der Gruppe schauen skeptisch – es sind Lokalpolitiker aus dem Umland, und sie sollen unterstützen, was hier passiert. Ideell, kreativ und gerne finanziell. Der Scherz drängt sich auf, einer in der Runde murmelt ihn: „Blühende Landschaften.“

Die Kleinstadt Schleswig wird die erste Landesgartenschau Schleswig-Holsteins veranstalten, auf den Königswiesen am Ufer des Ostseearms Schlei, der hier in einer breiten Bucht endet. Vom April bis Oktober 2008 soll die Landschaft blühen, Tulpen zuerst, 500.000 Zwiebeln werden Ende 2007 in den Boden gesetzt. Ein Graben wird ausgehoben, künstliche Hügel werden aufgeschüttet, am Rand der Schlei ist ein Naturtheater geplant, die Kinder bekommen einen Rutschenturm – „das wird ein Knaller“, freut sich Wolfgang Schoofs. Das muss er sagen: Er ist Geschäftsführer der eigens gegründeten Landesgartenschau gGmbH. Das g steht für gemeinnützig – die Gesellschaft darf keinen Gewinn machen. Die gute Nachricht lautet: Das schafft sie bestimmt. Die schlecht heißt: leider. „Die Schulden der Stadt haben einen Namen – und der lautet Landesgartenschau“, sagt der SPD-Stadtrat Karsten Reimer.

Schleswig hat bluten müssen in den vergangenen Jahren: Die Zuckerfabrik wurde geschlossen, die Kaserne ebenfalls, im Stadtzentrum wechseln die Besitzer der kleinen Läden allzu oft. Die Stadt ist nicht reich, ihr wichtigster Erwerbszweig heißt Tourismus. Also setzt sie alles auf eine Karte. Ob die Landesgartenschau der richtige Trumpf ist, weiß so genau keiner. Andere Städte verzichten nach einem Blick in die Kasse auf solche Großinvestitionen – das Osnabrücker Stadtparlament hat im November beschlossen, keine Bundesgartenschau auszurichten. Schleswig aber bleibt bei dem Plan: „Man muss positiv sein. Denn irgendetwas muss hier passieren“, sagt Annelen Weiß, Bürgervorsteherin und Vorstandsmitglied der Gartenschau-Gesellschaft. Sie erhofft sich von der blühenden Landschaft an der Schlei mehr Tourismus, überregionales Interesse, Reisende, die nach 2008 wiederkommen. „Ich hoffe, dass es ein Gewinn wird, wenn auch nicht unbedingt finanziell.“ Und außerdem, fügt sie beruhigend hinzu, „sind wir voll im Budget“. Wie hoch genau das ist – gute Frage: „So bei sieben Millionen.“ Tatsächlich sind 15,7 Millionen Euro nötig.

Nicht nur einigen Ratsherren wird mulmig bei dem Gedanken, was sie sich damit aufbürden. Viele Schleswiger ärgern sich über das Projekt – einerseits wegen des Geldes, andererseits wegen der vielen Einschränkungen, die ihnen das Spektakel bringt. So wird das über 100 Jahre alte Freibad an der Schlei in das Gelände integriert, die Schleswiger dürfen in der Saison 2008 an einer Behelfsbadestelle plantschen. Durch ein Schulgelände wird eine Straße gezogen. Die Segelvereine klagen, weil sie ihre Bootshäuser und Stege kaum mehr erreichen: „Wir hätten für 1.500 Vereinsmitglieder nur noch 38 Parkplätze“, protestiert ein Vorstand. Kaum ein Tag vergeht ohne böse Leserbriefe in der Lokalzeitung: „Unser allseits geliebtes Komitee der Landesgartenschau grübelt mit hoch erhobener Nase, welche Prominenz man einladen wird, während dem Volk lediglich ein hoher Zaun bleibt.“

Wolfgang Schoofs ficht das nicht sonderlich an, er neigt zum großen Wort: „Die Wikingerdüne haben Sie im Ansatz schon profiliert gesehen“, erklärt er den Gemeinderäten. Ein alter Wasserturm erhält ein Glasdach: „Das müssen Sie sich vorstellen wie im Berliner Reichstag.“ Alles in allem: „Wir haben ein erschlagendes Angebot.“

Erschlagend sind vor allem die Zahlen: 5,7 Millionen Euro der Kosten übernimmt das Land, 2,5 Millionen die Stadt, 7,5 die Gartenschau gGmbH. Die muss dafür Sponsorengelder einwerben, Gartenschau-Schnickschnack verkaufen und Tickets im Wert von 5,7 Millionen Euro unters Volk bringen. 600.000 Besucher sind nötig, um dieses Ergebnis zu erreichen.

„Mathematik mit Herrn Schoofs“, spottet ein Lokalpolitiker: „Am besten, wir rechnen gleich mit doppelt so vielen Gästen, dann verdienen wir auch das Doppelte.“ Dabei ist das Risiko schwer kalkulierbar. An Spitzentagen müssten Zehntausende zahlender Zuschauer um die Rabatten schlendern – kaum eine Gartenschau hat das je geschafft.

Roman Feodoria, Bürgermeister von Kappeln, ist trotzdem zuversichtlich: „Die Gartenschau ist eine Werbung für die Region. Wir hier im Norden gelten doch als die Schlafmützen der Nation, es muss einfach was passieren.“

In Schleswig wird die Schlafmütze mit Rosen und Tulpen bekränzt – ob das hilft?