„Gegen die deutsche Rechtstradition“

Der Bundestag beschließt heute REITs – Immobilienfonds auf Aktienbasis. Unternehmen erhalten damit ein weiteres gigantisches Steuergeschenk, sagt Thomas Eigenthaler. Der Leiter des Finanzamts in Stuttgart rechnet mit EU-Protest

THOMAS EIGENTHALER, 48, leitet ein Finanzamt in Stuttgart. Zudem ist der Jurist und Diplom-Finanzwirt seit 2003 Bundesvize der Steuergewerkschaft, die die Finanzbeamten vertritt. Er war Sachverständiger bei der REITs-Anhörung im Bundestag. REITs sind Immobilienfonds auf Aktienbasis, die überwiegend Gewerbe-Grundstücke enthalten müssen. Wohnimmobilien sind nicht betroffen, sofern sie vor 2007 errichtet wurden.

taz: Herr Eigenthaler, ab heute ist die deutsche Börsenwelt um eine Anlageform reicher. Der Bundestag verabschiedet die Immobilienfonds auf Aktienbasis – kurz REITs. Sie waren als Sachverständiger im Finanzausschuss geladen. Geht es Deutschland mit REITs besser?

Thomas Eigenthaler: Es ist sehr auffallend, dass bisher alle Gesetze der großen Koalition oder auch der rot-grünen Regierung von der Wirtschaft zerrissen wurden. Aber eigenartig: Bei REITs hört man überhaupt keine handwerkliche Kritik. Das kann nur bedeuten, dass die steuerlichen Vorteile für die Firmen extrem günstig sein müssen.

Wo verorten Sie das Steuergeschenk an die Firmen?

Bei der „Exit Tax“. Schon das Wort ist ungewöhnlich für das deutsche Steuerrecht, weil es sich gar nicht um eine echte Steuer handelt. Stattdessen geht es eigentlich um ein Steuerprivileg. Wer in den nächsten drei Jahren Gewerbe-Immobilien an einen REITs verkauft, der muss nur die Hälfte seines Gewinns versteuern.

Wie hoch werden die Steuerausfälle sein?

Das kann ich nicht abschätzen. Aber es dürften hunderte von Millionen Euro sein. Schließlich werden hier nicht schrottige Pkws verkauft, sondern lukrative Firmengrundstücke. In den Gewerbe-Immobilien verbergen sich hohe stille Reserven.

SPD-Finanzminister Peer Steinbrück rechnet aber anders: Ohne Steueranreiz würden überhaupt keine Grundstücke verkauft. Nach dem Motto: „Lieber Steuern auf die Hälfte, als nix von alles.“

Damit wird die Steuer zum Kuhhandel. Das mag in einer Steueroase so sein, dass der Staat fragt, ab wann bist du bereit, Steuern zu zahlen? Aber das widerspricht der deutschen Rechtstradition. Außerdem muss sich Steinbrück dann fragen lassen: Warum schenkt er den Firmen 50 Prozent der Steuern, warum nicht gleich 80 Prozent? Und warum gilt das nicht für alle Immobilienverkäufe? Warum muss also eine Firma, die ihr Gewerbegrundstück an eine Heuschrecke verkauft, zum Beispiel an einen Private-Equity-Fonds, den Gewinn ganz normal versteuern?

Sie klingen wie ein Fan der Heuschrecken.

Nein. Aber es darf in der Wirtschaft keine innerstaatliche Ungleichheit herrschen. Die Exit-Tax ist eine verkappte Subvention, die nur REITs erhalten …

die ihren Sitz in Deutschland haben.

Das kommt hinzu. Ausländische REITs werden auch benachteiligt. Die Exit-Tax wird europarechtlich keinen Bestand haben.

Warum geht Finanzminister Steinbrück dieses Risiko ein, vom Europäischen Gerichtshof korrigiert zu werden?

Das lässt sich vielleicht psychologisch erklären. Gegenüber Lobbyisten ist es politisch oft einfacher zu sagen, Europa sei schuld.

Sie leiten ein großes Finanzamt. Was bedeutet REITs für die Steuerverwaltung?

Angestrebt war eine transparente Besteuerung – stattdessen wird es zu einer intransparenten Nichtbesteuerung kommen. Es sind weitere hohe Steuerausfälle zu befürchten. Denn die REITs sind komplett steuerbefreit – sie müssen keine Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer zahlen. Dafür müssen sie 90 Prozent ihres Gewinns sofort an die Anleger ausschütten, die dann ihre Erträge voll versteuern sollen.

Und wo ist das Problem?

Wir erfahren gar nicht, welcher Anleger wie viel Dividende erhalten hat. Das muss der Anteilseigner freiwillig in seiner Steuererklärung angeben. Denn das Gesetz sieht keine Kontrollmitteilungen an das Finanzamt vor. Man vertraut also auf die Steuerehrlichkeit der Anleger. Das ist sehr seltsam, denn bei anderen Bevölkerungsgruppen ist der Gesetzgeber nicht so gutgläubig: Bei den Rentnern, zum Beispiel, sollen bald Kontrollmitteilungen ans Finanzamt gehen.

Deutschland wandelt sich also zum Steuerparadies für Immobilienbesitzer?

Die Firmen müssen nur ein bisschen Fantasie walten lassen. Eine Möglichkeit könnten auch „Sale-and-Lease-Back-Konstruktionen“ sein. Eine Firma verkauft ihr Grundstück und zahlt nur für die Hälfte Steuern – dann least sie es zurück und zieht gegenüber dem Finanzamt die volle Zinslast ab. Diese Gefahr hat auch der Bundesrat gesehen.

Es klingt nicht, als hätte Ihre Stellungnahme im Ausschuss irgendeinen Effekt gehabt.

Mein Eindruck war, dass unter den Bedingungen einer großen Koalition sowieso schon alles vorher festgelegt ist.

Die Mietervereine feiern es immerhin als Erfolg, dass erreicht werden konnte, dass reine Wohnimmobilien nicht an deutsche REITs verkauft werden dürfen.

Diese Freude hat mich gewundert. Denn es gibt ja kein Veräußerungsverbot für die Kommunen. Sie können ihre Wohnungen doch auch an normale Immobilien-Fonds verkaufen – oder an ausländische REITs. Und das tun sie auch im großen Stil.

INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN