Ein Besuch aus Deutschland

Kurz darauf erschienen die Deutschen [zwei BND-Beamte und ein Beamter des Bundesamts für Verfassungsschutz; d. Red.]. Das war am 23. September 2002. (…) Ich hatte Schmerzen im Ellenbogen und massierte die Stelle immer wieder. Einer der Deutschen fragte mich, weshalb ich das tat. Ich erzählte von den IRF-Teams und dass mir einer der Soldaten den Arm verdreht hatte. „Aber das war ja noch gar nichts“, sagte ich, und dann berichtete ich ihnen von der Folter in Kandahar, von den Elektroschocks und den Ketten, vom Wassertauchen und der Isolationshaft in Guantánamo, selbst von der Sache mit den Frauen. Das alles schien sie nicht zu interessieren. „Kommen wir doch zur Sache“, sagten sie jedes Mal, wenn ich von der Folter sprach. Am Abend war ich zurück in Block Mike. „Wie war’s?“, fragte Ebu Ammar. „Ich hatte Besuch.“ „Die Deutschen?“ „Ja.“ „Die Deutschen sind bekannt dafür, dass sie gerecht sind. Mach dir keine Sorgen. Wenn sie schon hierhergekommen sind, um dich zu verhören, dann werden sie dich sehr bald wieder nach Deutschland holen“, sagte Ebu Ammar. (…) Sie hatten wie die Amerikaner nur nach Beweisen gesucht, mit denen sie mich belasten konnten. Immer wenn ich von der Folter erzählte, wechselten sie das Thema. (…) Als Vernehmer aus Deutschland mussten sie sich das doch genau notieren, um es meiner Familie, der Regierung und der Öffentlichkeit erzählen zu können. Hätten sie mich dazu nicht befragen müssen? Aber dann war da ja noch das Band, dachte ich. Ich ging fest davon aus, dass meine Familie und die deutsche Öffentlichkeit schon wussten, dass mich die Beamten besuchten. Dies war bestimmt ein offizieller Besuch. [Dass deutsche Beamte in Guantánamo waren, gab Innenminister Schäuble erst Ende 2005 bekannt.]