Arbeistkampf der Gebäudereiniger: Putztruppe ohne Schlagkraft

Die Gebäudereiniger streiken für mehr Geld. Sie könnten viel Druck machen, denn ohne sie verdreckt die Stadt. Aber nur wenige trauen sich, in den Ausstand zu treten.

Kraftvoll gegen Schmutz, nicht ganz so stark im Arbeitskampf Bild: dpa

Von der Kuppel des Reichstags aus können Touristen kein Panorama mehr bestaunen, da die Glasscheiben total verdreckt sind. Im Tiergarten häufen sich Berge von Herbstlaub und Müll, und auf Krankenhausfluren und in Flughafenterminals wirbelt überall Staub auf. So verdrecken würde Berlin, wenn alle der rund 50.000 Gebäuderreinigungskräfte der Stadt ihre Arbeit niederlegten. Dazu hat die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) ab heute bundesweit aufgerufen. Doch in Berlin wollen nur 200 bis 300 Reinigungskräfte dem Aufruf zum unbefristeten Streik folgen.

So werden die meisten Büros, Krankenhäuser und Universitäten in den nächsten Tagen sauber bleiben. "Wir haben nicht die gleiche Streiktaktik wie bei großen Industrieunternehmen", erklärt Mikro Hawighorst, Streikleiter der IG BAU Berlin. Die Reinigungsfirmen und nicht die Kunden wie Schulen und Krankenhäuser solle der Streik treffen. "Wir können ja nicht die Patienten im Dreck sitzen lassen." Außerdem könne sich bei den Reinigungskräften nur schwer ein Gemeinschaftsgefühl einstellen, da sie zumeist allein arbeiten.

Angelika W. war von ihrem Chef gefeuert worden, weil sie an einem Warnstreik teilnahm. Nun arbeitet sie wieder - in dem Job, der mit schweren Maschinen und täglichem Stress ihren Rücken ruiniert:

"Gestern hat mir mein Chef auf die Mailbox gesprochen und gesagt, die Kündigung täte ihm leid. Find ich ein bisschen merkwürdig, dass das jetzt erst kommt. Das Gericht hatte ja schon letzte Woche die Kündigung für ungültig erklärt, und ich bin seit Donnerstag wieder im Einsatz. Jetzt habe ich zwar eigentlich Urlaub, aber ich bleibe hier und gehe zum Streik - ich kann mich doch jetzt nicht rausziehen!

Meist arbeite ich allein in meinem Job. In der TU habe ich für 100 Räume drei Stunden Zeit. Das Anstrengendste an der Arbeit sind die Maschinen und Wassereimer. Von den schweren Bohnermaschinen für die Fußböden und Schamponiermaschinen für die Teppiche habe ich einen kaputten Rücken. Zwei Bandscheibenvorfälle hatte ich bereits. Ich nehme Medikamente und geh trotzdem immer arbeiten. Seit 1992 bin ich in dem Beruf, habe immer durchgehend gearbeitet. Außer den Fußböden muss ich alles, was da halt so rumsteht, putzen - Schränke, Tische, Fenster. Eigentlich gab es für das Glas einen Extradienst, den gibt es aber auch nicht mehr. Wenn ich als Vorarbeiterin eingeteilt bin, komme ich eine halbe Stunde früher als meine Kollegen. Also so um halb fünf morgens. Ich schaue mir die Schichtpläne an, und wenn jemand krank ist, organisiere ich Ersatz. Die Kunden hinterlassen oft Mängellisten - also wenn irgendwas nicht richtig gereinigt ist. Um fünf sind dann alle da, und dann geht es los - mit Wischeimer und Bohnermaschine. Früher gab es für die Vorarbeit wohl eine Prämie, ich habe noch nie eine bekommen, auch nicht bei meinem früheren Arbeitgeber. Bis acht müssen wir fertig sein in der TU. Dann habe ich sechs Stunden frei, und um zwei geht es ins Rathaus Schöneberg. Dort ist es im Grunde die gleiche Arbeit und das gleiche Pensum wie in der TU.

Seit März bin ich bei der AGG Gebäudereinigung angestellt, ich bekomme 8,15 Euro brutto die Stunde, bei einer 39-Stunden-Woche bleiben mir damit 900 netto. Mein Vertrag ist auf ein Jahr befristet. Und ich gehe nicht davon aus, dass er verlängert wird. Nach dem ganzen Medienrummel. Aber Angst vor Arbeitslosigkeit habe ich nicht - geputzt wird überall."

PROTOKOLL: FRAUKE BÖGER

Im fehlenden Gemeinschaftsgefühl sieht auch der Gewerkschaftsexperte Josef Esser von der Uni Frankfurt/Main die geringe Streikbeteiligung begründet: "Durch Arbeitskräfte aus dem EU-Ausland und die hohe Fluktuation im Niedriglohnsektor fehlt ein solidarisches Gefühl. Deshalb entsteht auch keine kampfstarke Gruppe."

Hintergrund des Streiks ist ein Tarifstreit zwischen IG BAU und dem Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks (BIV). Zum 30. September war der Mindestlohntarifvertrag für die rund 450.000 Beschäftigten der Branche ausgelaufen, die Verhandlung um einen neuen Tarifvertrag waren im August nach sechs Runden gescheitert. Neben der Verlängerung des Mindestlohns, der bislang bei 8,15 Euro brutto im Westen und 6,58 Euro im Osten lag, fordert die Gewerkschaft eine Erhöhung um 8,7 Prozent, eine zusätzliche Altersvorsorge und eine schrittweise Angleichung der Ost- an die Westlöhne. Die Arbeitgeber bieten 3 bis 3,6 Prozent mehr Lohn. Eine Mehrheit von 96,7 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder hatte bei einer Urabstimmung am Freitag für den ersten Streik in der Geschichte der Branche abgestimmt.

Elke G. ist eine der wenigen Streikwilligen. Für ihren Arbeitgeber AGG Gebäudereinigung putzt sie morgens von 5 bis 8 Uhr in der Technischen Universität, nachmittags von 14 bis 17 Uhr im Schöneberger Rathaus. Warum sich so wenige ihrer KollegInnen an dem Streik beteiligen, kann Elke G. nur vermuten: "Ich glaube, die lassen sich einschüchtern, vor allem von den Vorarbeitern. Die sagen, dass sie weniger verdienen, wenn sie streiken." Außerdem hätten viele Angst, dass ihre befristeten Verträge nicht verlängert würden.

In der TU und im Rathaus Schöneberg ist man auf einen Ausfall von Reinigungsleuten nicht eingestellt. "Wir wissen nichts von einem Streik", sagt TU-Pressesprecherin Kristina Zerges. Die Gewerkschaft vermutet, dass die Reinigungsfirma Leiharbeiter als Streikbrecher einsetzen. "Es heißt, dass an der TU Russen eingesetzt werden. Da müssen wir dann mit Dolmetschern hin und die davon überzeugen, dass sie sich solidarisieren", erklärt Streikleiter Mirko Harwighorst.

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