Geschichtsfestival Historiale: Zurück in die Kaiserzeit

Die Historiale holt Wilhelm II. nach Berlin, schildert aber auch das harte Schicksal von Menschen, wie Heinrich Zille sie gezeichnet und fotografiert hat. Rund 70.000 Besucher werden erwartet.

Wer diese Stadt erobern möchte, muss durchs Brandenburger Tor hindurch. Am Freitag kommender Woche hat hier der Kaiser seinen großen Auftritt: Wilhelm II., der mit dem buschigen Schnurrbart, wird von einer Kutsche herab seinem Volk huldigen, zusammen mit seinem Vater, Wilhelm I., und Friedrich IV. Auch die Frau Gemahlinnen sind dabei.

Die drei Kaiser besuchen auf Einladung der Historiale die Hauptstadt. Die Historiale ist ein Geschichtsfestival, das vor allem auf authentisches Nachspielen setzt: Mehr als 300 Ehrenamtliche in historischen Kostümen wollen an dem Wochenende das Berlin der Kaiserzeit darstellen und damit das Lebensgefühl der Jahre 1871 bis 1918 vermitteln. Neben dem Brandenburger Tor ist das Nikolaiviertel die Hauptbühne. Hier schickt das Thea- ter im Nikolaiviertel 25 Schauspieler auf den Historiale-Markt, um "Zille sein Milljöh" anschaulich zu machen. Der Zeichner Heinrich Zille skizzierte die Armen, die Arbeiter und die Geschundenen des damaligen Berlins. Die Laiendarsteller sollen aufeinandertreffen und im Zilleschen Humor miteinander reden.

Die Historiale möchte die Geschichte zwar lebendig machen, aber nicht verklären. "Den Wilhelm wollen wir ja gar nicht wiederhaben", sagt Wieland Giebel, der Chef des Festivals. Deswegen biete er neben dem Spektakel auch Inhaltliches: Am Mittwoch und Donnerstag (26./27. August) referieren Historiker über die Kaiserzeit. Sie sprechen beispielsweise über die damalige Frauenbewegung und das Verhalten der Deutschen in den Kolonien. Auch am Wochenende soll Wissen vermittelt werden - diesmal allerdings von Schauspielern: Historische Persönlichkeiten von Kanzler Bismarck bis Rosa Luxemburg schildern ihre Sicht auf die Kaiserzeit.

Die Epoche wurde ausgewählt, um im Mauerjubiläumsjahr nicht unterzugehen, sagt Giebel. In den vergangenen drei Jahren hat die Historiale bereits den Einmarsch Napoleons, die preußischen Reformen und die Märzrevolution dargestellt.

Organisator Giebel ist ebenfalls Chef des "Berlin Story"-Buchladens, der hauptsächlich Geschichtsbücher verkauft und das Festival maßgeblich finanziert. Die Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte ist Sponsor, ansonsten erhalte das Projekt keine öffentliche Förderung, wie Giebel sagt: "Dass Staatssekretär André Schmitz Schirmherr ist, drückt sich leider nicht in Euro aus." Das Festival werde etwa 200.000 Euro kosten und basiere auf dem Engagement der 300 geschichtsbegeisterten Schauspieler, die auf eigene Kosten nach Berlin reisen. So komme der Bismarck-Darsteller aus Jever in Niedersachsen. Auch die dreißig Pferde, die die Kaiser ziehen werden, reisen an und werden in der Trabrennbahn Mariendorf unterkommen.

Für Zuschauer ist der Eintritt kostenlos. Führungen und Veranstaltungen im Rahmen der Historiale verlangen Eintritt. Erwartet werden am gesamten Wochenende 70.000 Besucher, so viele wie im vergangenen Jahr. Dabei habe die Historiale noch großes Potenzial, sagt Giebel: "Wir könnten zehnmal so groß sein. Aber ohne die Stadt oder die Messe im Hintergrund können wir das nicht stemmen." So organisieren sie selbst, die Planungen für 2010 haben schon begonnen. Das Thema dann: die 1920er-Jahre.

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